In einer Mitteilung kritisiert Deutschlands ältester Handelsverband die Schieflage von Marktüberwachung und Zoll. Von über 2 Mrd. in die EU eingeführten Sendungen unter der Freigrenze von 150€ wurden laut Bundesnetzagentur nur 5.000 Sendungen kontrolliert. Dese unzureichenden Kontrollen schaffen unfairen Wettbewerb. Nicht zuletzt gelangen auch so unsichere und gefährliche Produkte in den europäischen und deutschen Markt an Verbraucher.
Marktüberwachung & Zoll arbeiten wir ein Tante Emma Laden
“Die Marktüberwachung in Deutschland ist zersplittert. Das erschwert die Durchsetzung europäischer sowie nationaler Regelungen und steht einem zentralen Vorgehen gegen Unternehmen aus Nicht-EU-Ländern im Weg“, so Stephan Tromp, stellvertretender HDE-Hauptgeschäftsführer. Geregelt werde die öffentlich-rechtliche Durchsetzung der Überwachung der Produktsicherheit durch die Länder, die ihre Zuständigkeit wiederum an die kommunalen Behörden übertragen hätten. „Der Zoll ist mit der schieren Masse an Paketen überfordert und die dezentrale Organisation der Marktüberwachung führt zu Sicherheitsrisiken für die Verbraucher und bringt eine extreme Wettbewerbsverzerrung zulasten des deutschen Handels mit sich“, betont Tromp. „Die Marktüberwachung ist organisiert wie zu Zeiten von Tante Emma, als es nur den stationären Handel gab und die amtliche Überwachung der Produkte vor Ort ausreichte“, so Tromp weiter.
Zudem mahnt der Handelsverband zu einer schnellen Aufhebung der Zollfreigrenze von 150 Euro und zur Digitalisierung der Zollkontrollen in der EU. Nach EU-Angaben ist davon auszugehen, dass bei zwei Dritteln der zwei Milliarden Pakete aus Nicht-EU-Staaten der Warenwert falsch deklariert ist, um unterhalb der Zollfreigrenze von 150 Euro zu bleiben. „Diesem Missbrauch muss Einhalt geboten werden“, so Tromp.
Lösung bundeseinheitlicher Ansatz
Der Verband fordert daher eine Neuordnung der Marktüberwachung in Deutschland. „In Zeiten des globalen Internethandels stößt das dezentrale Modell der Marktüberwachung an seine Grenzen. Es überfordert die kommunalen Behörden“, so Tromp. Online-Plattformen und Handelsunternehmen von jeder Kommune individuell und unabgestimmt überprüfen zu lassen, sei nicht zielführend. „Es braucht einen bundesweit einheitlichen Ansatz, der auf Grundlage eines geeigneten Rechtsrahmens ein effizientes und wirksames Vorgehen gegen die Einführer aus Drittstaaten im Inland gewährleistet, damit auch die ganzheitliche Überwachung der internationalen Akteure sicherstellt und die Durchführung zentraler Maßnahmen zur Durchsetzung der Verordnungen und Gesetze ermöglicht“, so Tromp. Hier seien Bund und Länder gemeinsam in der Pflicht.
Einordnung & Meinung
Die kritische Stimme des HDE ist mehr als gerechtfertigt und aus Sicht eines Händlers ist die Kritik mehr als richtig und notwendig. Viele Gesetzte und Verordnungen zu Bekämpfung des unfairen Wettbewerbs, zur Gewährleistung von Produktsicherheit und zur richtigen Angabe des Produktpreises sind vorhanden. Nur können diese aus unterschiedlichen Gründen nur schlecht umgesetzt werden. Es fehlt entweder an geeigneter Organisationsstruktur, welche ein effiziente Durchsetzung der Regeln gewährleistet oder schlicht an ausreichender personeller Ressource, welche den Vollzug sicherstellt.
Hierdurch entsteht ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden. Dieser trifft die Länder direkt bei nicht ausreichend erhobener Einfuhrumsatzsteuer und unsere bzw. die europäischen Volkswirtschaften indirekt. Unternehmen, also die Händler sehen sich unfairem Wettbewerbs ausgesetzt. Gerade der kleine und mittlere Mittelstand, welcher einen Großteil der Handelsakteure auf Plattformen darstellt muss machtlos zuschauen.
Noch gar nicht betrachtet sind die Gefahren und Folgekosten die bei Versicherung, bei Verbrauchern und im Gesundheitssystem entstehen, weil gefährliche Produkte für Verbraucher im europäischen und deutschem Markt zugängig sind.
Bei aller berechtigten Kritik an Temu, Wish & Co bleibt festzuhalten, dass die Ankündigungen der politischen Akteure nichts mehr als Lippenbekenntnisse sind. Wir haben ausreichende Gesetzte nur können diese mangels Organisationstrukturen und Ressourcen bei den vollziehenden Behörden nicht angewendet werden. Das ist der Punkt.
Bereits heute fällt für jede Warensendung aus dem EU-Ausland über etwa 6 Euro Warenwert Einfuhrumsatzsteuer an. Dazu kommen die Abwicklungskosten vom Spedituer, zum Beispiel 6 Euro pro Sendung bei DHL. Oder Menschen wie Menschen wie ich holen ihre Sendungen selbst auf dem Zollamt ab. Dort ist dann ein Beamter etwa eine Viertelstunde mit dem Heraussuchen der Sendung und Erstellen des Steuerbescheides, zuletzt in Höhe von 2,60 Euro beschäftigt. Das lohnt sich doch für den Staat und den Steuerzahler?
Die paar Kleinsendungen aus dem Ausland dürften wohl nicht das Problem darstellen. Schwerwiegender sind die fehlenden Kontrollen von Lastwagen voll mit Gütern aus dem EU-Ausland. Leider fehlen hierfür die Zollbeamten, die mit der Abwicklung von Kleinsendungen gebunden sind.