Wer kennt es nicht? Da gibt es eine Ähnlichkeit zu eurer Marke und zack bekommt ihr Post vom gegnerischen Anwalt. Dieser sieht in eurem Verhalten eine Markenrechtsverletzung, möchte Auskunft und natürlich Geld. Mitunter droht er auch, euch bei Amazon zu schädigen. Nur tatsächlich wird die Marke, deren Rechte der Winkeladvokat gerade vertritt, gar nicht benutzt. Sie ist böswillig angemeldet, um finanzielle Interessen des Inhabers zu befriedigen. Genau darum ging es in einem aktuellem Fall, der vor dem Land- und Oberlandgericht in Frankfurt verhandelt worden ist.
Niedrige Hürden bei Hinterhaltsmarken
Das OLG hat die Hürde, ab wann eine Markenanmeldung als böswillig angesehen werden, sehr niedrig gesehen. Und zwar urteilen die Richter, dass dann eine böswillige Markenanmeldung vorliegt, wenn diese ausschließlich den finanziellen Interesses des Anmelders diene, die Marke somit also nicht benutzt wird. Sie dient dann als sogenannte ›Hinterhaltsmarke‹.
»Man kennt das von den Domainnamen: viele sind schon weg, ohne tatsächlich genutzt zu werden; sie werden oft von Domainspekulanten gehortet, die viele Domains billig reservieren – in der Hoffnung, die eine oder andere später teuer verkaufen zu können. In der Regel ist das zulässig.
Ein ähnliches Geschäftsmodell gibt es bei den Marken. Hier muss man zwar mit höherem Einsatz spielen, weil jede Markenanmeldung 300 Euro kostet, aber es gibt Anmelder, die in manchen Jahren hunderte von Marken angemeldet haben, ohne diese tatsächlich für konkrete Produkte zu nutzen. Diese Markeninhaber werden erst aktiv, wenn ein anderer eine gleiche oder ähnliche Marke anmeldet oder benutzt – dann aber richtig, denn sie bieten die Marken nicht nur zum Kauf an, sondern sie überziehen den Anderen mit Abmahnungen und Markenwidersprüchen. Darin liegt ein entscheidender Unterschied zu den Domainspekulanten, weshalb ich nicht einfach von Marken-›Spekulanten‹ sprechen möchte, sondern deutlicher von Sperrmarken. Gebräuchlich ist auch der Ausdruck ›Hinterhaltsmarke‹.
Die Anmeldung von Sperrmarken widerspricht dem Sinn des Markenrechts. Deshalb stoßen diese Praktiken häufig auf Widerstand. Auch das Oberlandesgericht Frankfurt/M. ist diesem Unwesen jetzt entgegengetreten und hat entschieden, dass ein Markeninhaber keine Rechte geltend machen kann, wenn er zahlreiche Marken anscheinend nur zu dem Zweck angemeldet hat, anderen damit das Leben zu erschweren und daraus Gewinn zu erzielen«, so Rechtsanwalt Kraus.
Und das sagen die Richter
Der Markenanmelder bekam jedenfalls ordentlich eins auf die Finger als er eine Einstweilige Verfügung beantragen wollte. Diese wurde ihm vom LG und OLG Frankfurt wegen Bösgläubigkeit verwehrt.
»Von einer Bösgläubigkeit des Anmelders […] ist dann auszugehen, wenn die Anmeldung rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig erfolgt ist. Ein sittenwidriger Markenerwerb kann darin liegen, dass ein Anmelder die mit der Eintragung einer Marke entstehende Sperrwirkung zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfes einsetzt […].
Dies ist dann anzunehmen, wenn die Anmeldung offensichtlich auch zu dem Zweck erfolgt, ein anderes Unternehmen unter Druck zu setzen und von diesem (finanzielle) Gegenleistungen zu erzwingen […].«
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Die Antragsgegnerin hat in ihrer Schutzschrift dargelegt, dass der Antragsteller gestützt auf seine Ende 2018 eingetragene Marke bereits zahlreiche Berechtigungsanfragen und Abmahnungen ausgesprochen hat, ohne eine nennenswerte Benutzung im Bereich der Bekleidung aufgenommen zu haben. In seiner an die Herstellerin A gerichteten E-Mail vom 25.1.2021 weist er auf zahlreiche rechtliche Kontakte mit Modefirmen hin […] die daraufhin Unterlassungserklärungen abgegeben, Lizenzvereinbarungen geschlossen oder Schadensersatz geleistet haben […].
Dabei bedient er sich in der Korrespondenz mit den verwarnten Unternehmen Formulierungen, die auf eine vorrangige Einnahmeerzielungsabsicht schließen lassen (z. B. »Sofern A sich weigert den Umsatz zu benennen, müsste … eine solche Einmalzahlung im sechsstelligen Bereich liegen«, Anlage 11, Bl. 143; oder: »Ich würde Sie daher bitten, sich bis zum 4.2.2021 zu äußern … was das Unternehmen bereit wäre, für die bisherige Nutzung oder zukünftige Nutzung zu blechen«, Anlage AG 16, Bl. 153 d.A.).
Offenbar hat der Antragsteller mit mehreren kontaktierten Unternehmen bereits Lizenzverträge geschlossen, andere haben Schadensersatz gezahlt […]. Ferner baut er gezielt Druck auf, um die Abgemahnten zu Zahlungen zu bewegen (z. B. »Sofern es nicht zu einer Einigung käme, müsste ich dann die einzelnen Abnehmer anschreiben«, Anlage 11, Bl. 134 d.A.).
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Er droht auch damit, Angebote bei Amazon sperren zu lassen und zeigt unverhohlen die Konsequenzen auf (»Amazon sanktioniert darüber hinaus auch etwaige Markenverletzungen mit Vernichtung des Lagerbestandes etc.«, Anlage AG 11, Bl. 139 d.A.).
Diese Umstände lassen darauf schließen, dass der Antragsteller die Marke nicht vorrangig dazu einsetzen möchte, um Kleidungsstücke zu kennzeichnen oder dafür auf lauterem Weg Lizenznehmer zu finden, sondern sich durch erzwungene Lizenzverträge und Vergleichsregelungen mit den Verwarnten eine Einnahmequelle zu verschaffen.
Diese Absicht dürfte schon zum Zeitpunkt der Anmeldung bestanden haben. Der mutmaßlichen Behinderungsabsicht steht nicht entgegen, dass sich die Marke noch in der Benutzungsschonfrist befindet. Die fünfjährige Benutzungsschonfrist nach § 25 Abs. 1 MarkenG befreit den Markenanmelder nicht von der Notwendigkeit, einen generellen Benutzungswillen zu haben. Sie begründet lediglich eine entsprechende Vermutung, die widerleglich ist […].«
Was bedeutet das nun für euch?
Natürlich solltet ihr euch unmittelbar an einen Fachanwalt wenden, der euch berät. Aber ihr könnt auch bereits selber prüfen, ob euer Gegner die Marke überhaupt benutzt. Schön zu lesen sind auch die Gründe, welche die Richter anführen, um festzustellen, dass es sich hier um ein böswilliges Verhalten handelt.
Im Umkehrschluss bedeutet es nämlich auch, worauf zu achten ist, wenn ihr eine Marke verteidigen wollt, die ihr noch nicht benutzt.
Quelle: https://www.rv.hessenrecht.hessen.de/bshe/document/LARE210000978