Bisher verlangte die Preisangabenverordnung (PAngV) die Angabe des Grundpreises in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises. Art. 4 Abs. 1 der europäischen PreisangabenRL fordert hingegen nur eine Angabe des Grundpreises „unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar“. Mehrere Gerichte haben bereits entschieden, dass die deutsche Umsetzung europarechtskonform ausgelegt werden müsse. Der BGH (Urt. v. 19.5.2022 – I ZR 69/21) entschied nun allerdings, dass der Grundpreis nur dann als solcher klar erkennbar sei, wenn er in dem Sinne in unmittelbarer Nähe des Verkaufspreises steht, dass er zusammen mit diesem auf einen Blick wahrgenommen werden könne. Diese Vorgabe bestehe auch nach der neuen PAngV, die seit dem 28.5.2022 gilt.

Der Beklagte bot Produkte über Amazon an. Der Kläger, ein Wettbewerbsverband, stellte im Oktober 2019 fest, dass der Beklagte Produkte anbot, ohne den dazugehörigen Grundpreis zu nennen. Der Kläger hatte den Beklagten im einstweiligen Verfügungsverfahren auf Unterlassung in Anspruch genommen. Das Begehren des Klägers, dem Beklagten zu verbieten, entsprechende Produkte anzubieten, ohne den Grundpreis in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises anzugeben, wurde jedoch vom LG Halle (Urt. v. 6.8.2020 – 8 O 26/20) zurückgewiesen. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Berufung des Klägers hat das OLG Naumburg (Urt. v. 29.4.2021 – 9 U 114/20) zurückgewiesen. Das OLG Naumburg hatte angenommen, dass § 2 Abs. 1 PAngV aF unter einer europarechtskonformen Auslegung keine Angabe des Grundpreises in unmittelbarer Nähe zum Gesamtpreis mehr erfordere. Hiergegen richtet sich der Kläger mit seiner Revision. Unsere Partnerkanzlei Internet-Rostock.de war an dem Verfahren beteiligt und hatte den Beklagten vor dem OLG Naumburg vertreten.

Der BGH hat nun entschieden, dass die bis zum 28.5.2022 geforderte „unmittelbare Nähe“ des Grundpreises zum Gesamtpreis nicht über die Vorgaben der europäischen PreisangabenRL hinausgehe, sondern diese nur konkretisiere. Der Grundpreis sei nur dann als solcher klar erkennbar, wenn er in dem Sinne in unmittelbarer Nähe des Verkaufspreises steht, dass er zusammen mit diesem auf einen Blick wahrgenommen werden kann. Diese Vorgabe gelte auch nach der neuen PAngV, die seit dem 28.5.2022 gilt.

Unterschiede zwischen deutschem und europäischem Recht

Die Vorgabe, wie ein Grundpreis darzustellen ist, wurde in der vor dem 28.5.2022 geltenden PAngV anders geregelt als in der europäischen PreisangabenRL 98/6/EG.

§ 2 Abs. 1 S. 1 PangV aF bestimmte:

Wer Verbrauchern gewerbs- oder geschäftsmäßig oder wer ihnen regelmäßig in sonstiger Weise Waren in Fertigpackungen, offenen Packungen oder als Verkaufseinheiten ohne Umhüllung nach Gewicht, Volumen, Länge oder Fläche anbietet, hat neben dem Gesamtpreis auch den Preis je Mengeneinheit einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile (Grundpreis) in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises gemäß Absatz 3 Satz 1, 2, 4 oder 5 anzugeben.

Die Vorgabe in Art. 4 Abs. 1 RL 98/6/EG lautet hingegen:

Der Verkaufspreis und der Preis je Maßeinheit müssen unmißverständlich, klar erkennbar und gut lesbar sein. Die Mitgliedstaaten können vorsehen, daß die Zahl der anzugebenden Preise begrenzt wird.

In der seit dem 28.5.2022 geltenden Fassung der PAngV wird die Angabe des Grundpreises nun in § 4 geregelt. Die Vorgabe wurde an den Wortlaut der europäischen Regelung angepasst:

§ 4 Pflicht zur Angabe des Grundpreises

(1) Wer als Unternehmer Verbrauchern Waren in Fertigpackungen, offenen Packungen oder als Verkaufseinheiten ohne Umhüllung nach Gewicht, Volumen, Länge oder Fläche anbietet oder als Anbieter dieser Waren gegenüber Verbrauchern unter Angabe von Preisen wirbt, hat neben dem Gesamtpreis auch den Grundpreis unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar anzugeben. Auf die Angabe des Grundpreises kann verzichtet werden, wenn dieser mit dem Gesamtpreis identisch ist.

Die Verordnungsbegründung der neuen PAngV stellt jedoch klar, dass die Vorgabe einer „guten Erkennbarkeit“ so auszulegen sei, dass Gesamtpreis und Grundpreis auch weiterhin auf einem Blick wahrnehmbar sein müssen.

„Unmittelbare Nähe“ ergibt sich aus dem Zweck der PreisangabenRL

Auch der BGH stellte klar, dass die PreisangabenRL nicht die Angabe des Grundpreises „in unmittelbarer Nähe“ vorsehe. Diese Anforderung ergebe sich jedoch aus dem Zweck der PreisangabenRL. Bei dieser Formulierung handle es sich jedoch um eine zulässige Konkretisierung bei der Umsetzung der PreisangabenRL.

Das Berufungsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass Art. 3 Abs. 1 Satz 1 und Art. 4 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 98/6/EG ein Erfordernis, den Grundpreis “in unmittelbarer Nähe” des Gesamtpreises anzugeben, nicht ausdrücklich vorsehen. Dieses Erfordernis ergibt sich aber aus dem Ziel dieser Regelungen und dem Zweck der Richtlinie 98/6/EG. Der Verordnungsgeber war berechtigt, den Wortlaut der Richtlinie bei der Umsetzung ins nationale Recht entsprechend zu konkretisieren. […] Der nationale Verordnungsgeber hat den Wortlaut von Art. 4 Abs. 1 Satz der Richtlinie 98/6/EG in zulässiger Weise dahin konkretisiert, dass der Grundpreis in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises anzugeben ist, weil damit das Ziel dieser Regelungen und der Zweck der Richtlinie 98/6/EG vollständig erreicht wird.

Aufklärung der Verbraucher und Möglichkeit zum Preisvergleich

Die Angabe des Grundpreis solle die Verbraucherinformation fördern und einen Preisvergleich ermöglichen.

Mit der Angabe des Verkaufspreises und des Preises je Maßeinheit bei Erzeugnissen, die Verbrauchern von Händlern angeboten werden, soll nach Art. 1 der Richtlinie 98/6/EG für eine bessere Unterrichtung der Verbraucher gesorgt und ein Preisvergleich erleichtert werden. Wie sich aus Erwägungsgrund 2 der Richtlinie 98/6/EG ergibt, verfolgt diese Richtlinie das Ziel, ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten und die Politik der Mitgliedstaaten betreffend eine genaue, transparente und unmissverständliche lnformation der Verbraucher über die Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse zu unterstützen und zu ergänzen. Nach Erwägungsgrund 6 der Richtlinie 98/6/EG trägt die Verpflichtung, den Verkaufspreis und den Preis je Maßeinheit anzugeben, merklich zur Verbraucherinformation bei, da sie den Verbrauchern auf einfachste Weise optimale Möglichkeiten bietet, die Preise von Erzeugnissen zu beurteilen und miteinander zu vergleichen und somit anhand einfacher Vergleiche fundierte Entscheidungen zu treffen. Nach Erwägungsgrund 13 der Richtlinie 98/6/EG haben die Mitgliedstaaten für die Effizienz der in der Richtlinie g8/6/EG enthaltenen Regelungen Sorge zu tragen.

Unmittelbare Nähe erforderlich

Dieses verfolgte Ziel könne nur erreicht werden, wenn der Grundpreis dergestalt in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises angeben werde, dass beide Preise auf einen Blick wahrgenommen werden können. Diese Anforderung gehe nicht über die eurorechtlichen Anforderungen hinaus, sondern konkretisiere die Erfordernis der klaren Erkennbarkeit.

Es liegt auf der Hand, dass das mit der Verpflichtung aus Art.3 Abs. 1 Satz 1 und Art.4 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 98/6/EG, nicht nur den Verkaufspreis (Gesamtpreis), sondern auch den Preis je Maßeinheit (Grundpreis) klar erkennbar anzugeben, verfolgte Ziel, Verbrauchern auf einfachste Weise optimale Möglichkeiten zu bieten, Preise von Erzeugnissen zu beurteilen und miteinander zu vergleichen, nur erreicht wird, wenn der Grundpreis in der Weise in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises angegeben wird, dass beide Preise auf einen Blick wahrgenommen werden können […]. § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV geht daher mit seiner Forderung, den Grundpreis in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises anzugeben, nicht über die Mindestharmonisierung der Richtlinie 98/6/EG hinaus […]. Vielmehr konkretisiert § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV damit lediglich das Erfordernis der klaren Erkennbarkeit des Grundpreises aus Art. 4 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 98/6/EG. Da der Grundpreis als Preis je Maßeinheit auf den Verkaufspreis bezogen ist, ist er nicht schon dann klar erkennbar, wenn er für sich genommen deutlich wahrnehmbar ist. Vielmehr ist er nur dann als solcher klar erkennbar, wenn er in dem Sinne in unmittelbarer Nähe des Verkaufspreises steht, dass er zusammen mit diesem auf einen Blick wahrgenommen werden kann. Ein in unmittelbarer Nähe des Verkaufspreises platzierter Grundpreis eröffnet die in Erwägungsgrund 6 der Richtlinie 98/6/EG geforderte optimale Möglichkeit für einfache Preisvergleiche.

Anforderung gilt auch nach der Neufassung der PAngV seit 28.5.2022

Der BGH hat ebenfalls direkt klargestellt, dass diese Anforderung auch nach der Novellierung der PAngV, die seit dem 28.5.2022 gilt, fortbesteht.

Nichts Anderes gilt für die am 28. Mai 2022 in Kraft tretende Neuregelung der Verpflichtung zur Grundpreisangabe in $ 4 Abs. 1 Satz 1 PAngV, die zwar nicht mehr das Erfordernis einer Grundpreisangabe “in unmittelbarer Nähe” des Verkaufspreises enthält, wohl aber nach wie vor das – im Wortlaut der Richtlinie ebenso wenig enthaltene – Erfordernis, dass der Grundpreis “neben” dem Gesamtpreis genannt wird, das nicht nur im Sinne von “zusätzlich”, sondern darüber hinaus im Sinne von “nebeneinander” verstanden werden kann. Außerdem ist in der Neuregelung das sich zuvor aus § 1 Abs. 7 Satz 2 PAngV aF ergebende Gebot eingefügt, dass der Grundpreis (unter anderem) “klar erkennbar” sein muss. Die Vorgabe, dass der Grundpreis neben dem Gesamtpreis klar erkennbar anzugeben ist, ist unter Berücksichtigung des Zwecks der Richtlinie, Verbrauchern auf einfachste Weise optimale Möglichkeiten zu bieten, Preise von Erzeugnissen zu beurteilen und miteinander zu vergleichen, dahin zu verstehen, dass Gesamtpreis und Grundpreis auch weiterhin auf einen Blick wahrnehmbar sein müssen (vgl. Amtliche Begründung zur Novellierung der Preisangabenverordnung, BR-Drucks. 669121, S. 36; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl., § 4 PAngV nF Rn. 6).

Ebenso wenig sei das sich aus § 2 Abs. 1 PAngV ergebende Gebot, den Grundpreis in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises anzugeben, weder restriktiver noch strenger als die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-RL; RL 2005/29/EG). Die in Art. 3 Abs. 1 S. 1, Art. 4 Abs. 1 S. 1 PreisangabenRL geregelten und durch § 2 Abs. 1 S. 1 PAngV umgesetzte Informationspflichten seien zugleich wesentliche Informationspflichten nach Art. 7 Abs. 5 UGP-RL.

Vorenthalten wesentlicher Informationen

Bei der Pflicht, den Grundpreis in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises anzugeben, handle es sich um eine wesentliche Informationspflicht nach § 5a Abs. 2 UWG aF (seit 28.5.2022: § 5a Abs. 1 UWG).

Der Beklagte hat dem Verbraucher mit der beanstandeten lnternetwerbung eine wesentliche lnformation vorenthalten. Die hier in Rede stehende Pflicht, den Grundpreis in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises anzugeben, ist eine wesentliche lnformationspflicht […].

Es ist davon auszugehen, dass der Verbraucher diese wesentliche lnformation nach den Umständen benötigte, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und deren Vorenthalten geeignet war, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Ein Unternehmer, der geltend macht, dass der Verbraucher – abweichend vom Regelfall- eine ihm vorenthaltene wesentliche lnformation für eine Kaufentscheidung nicht benötigt und dass das Vorenthalten dieser lnformation den Verbraucher nicht zu einer anderen Kaufentscheidung veranlassen kann, trifft eine sekundäre Darlegungslast (BGH, GRUR 2019,641 Rn. 31 – Kaffeekapseln, mwN). Der Beklagte hat keinen in diese Richtung gehenden Sachvortrag gehalten.

An der gleichrangigen Prüfung von § 3a UWG und § 5a Abs. 2 und Abs. 4 UWG hält der BGHnicht mehr fest (BGH, Urt. v. 7.4.2022 – I ZR 143/19). Vielmehr sei die Unlauterkeit allein nach § 5a Abs. 2 und 4 UWG zu beurteilen.

Fazit

Der BGH hat nun entschieden, dass die bis zum 28.5.2022 geforderte „unmittelbare Nähe“ des Grundpreises zum Gesamtpreis nicht über die Vorgaben der europäischen PreisangabenRL hinaus gehe, sondern diese nur konkretisiere. Er sei nur dann als solcher klar erkennbar, wenn er in dem Sinne in unmittelbarer Nähe des Verkaufspreises steht, dass er zusammen mit diesem auf einen Blick wahrgenommen werden kann.

Seit dem 28.5.2022 gilt die neue PAngV. Nach § 4 Abs. 1 muss der Grundpreis neben dem Gesamtpreis unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar angegeben werden. Der Wortlaut wurde damit an den der PreisangabenRL angepasst. Der BGH hat direkt für die neue Rechtslage klargestellt, dass die Neureglung an dieser Anforderung nichts ändere.