Es gibt kaum Händler unter euch, die über die Jahre ihr Geschäftsmodell skalieren konnten, wenn ihr aus den Kategorien Refurbished, Re-Commerce oder Sammeln & Seltenes kommt. Lediglich ein paar Leuchttürme wie rebuy oder Momox haben es – teilweise mit illegalen – Methoden geschafft, an Flughöhe zu gewinnen. Lasst uns doch einmal schauen, wo die Herausforderungen sind.
Zunächst zu den Leuchttürmen der Branche: 2015 deckte Wortfilter eine Reihe an Urheberrechtsverstößen bei den großen Re-Commerce-Anbietern rebuy, Momox und zoxs auf. Sie klauten fast schon in der Manier einer kriminellen Vereinigung haufenweise Bilder und Produktdaten und verwendeten sie illegal. Hier berichtete Wortfilter darüber. In Folge dieser Berichterstattung änderten sie dann auch ihre Vorgehensweise. Bis dahin sparten sie Kosten – so darf kolportiert werden – in mehrstelliger Millionenhöhe. Diese Ersparnis wird dann auch einiges zu dem unglaublichen Wachstum beigetragen haben. Trotzdem muss aber bei den Digitalisierern des Gebrauchtwarenhandels gesehen und anerkannt werden, was sie geleistet haben. Sie haben eine Branche vollständig industrialisiert. Pionierarbeit war das.
Die Herausforderungen in den Kategorien sind groß
Egal ob wir eine Autoverwertung, den Handel mit ›used fashion‹, Restposten oder Antiquitäten betrachten, viele Herausforderungen sind allen gemein. Fangen wir einmal an, diese zu identifizieren. Zumindest die Big Points.
Die eigene Logistik: Wer in diesen Branchen handelt, benötigt eine eigene Logistik. Das alleine ist bereits eine Herausforderung. Zusätzlich kommt hinzu, dass die gehandelte Ware meistens sehr heterogen ist. Als Beispiel: Ein Antiquitätenhändler muss in der Lage sein, ein Bild zu versenden, einen Spiegel oder ein Sofa. Und er muss Lagerplatz vorhalten. Fazit: Der Betrieb einer eigenen Logistik ist aufwendiger und komplexer.
Sourcing: Je nach Branche werden Artikel sehr kleingliedrig eingekauft, halt Einzelstücke oder in zumindest sehr geringen Mengen. Die Kaufentscheidung ist meistens sehr individuell und mit viel Kommunikation herbeizuführen.
Waren- & Datenerfassung: Das ist fast einer der komplexesten Prozesse. Grundsätzlich im E-Commerce. In den nun betrachtenden Kategorien kommt aber noch hinzu, dass der Artikel meist auch nur ein einziges Mal vorhanden ist. Sprich, alle Kosten für die Waren- und Datenerfassung müssen auch genau diesem Produkt auferlegt werden. DAS ist sehr schwer.
Listing & Präsentation: Auch hier gilt, wie bei der Erfassung der Einzelstücke, dass alle anfallenden Kosten immer auf eine nur sehr geringe Stückzahl an Artikeln umgelegt werden können.
Zwischenfazit: Das sind die Nachteile
- Individuelle Entscheidepraxis
- Viele manuelle Einzelschritte
- Augenscheinlich keine Automatisierungmöglichkeit
- Hoher manueller Aufwand
- Komplexer Lagergestaltung
Ihr kennt sie selber. Jeder hat im Kelle genug ungenutzte Sache rumliegen. Warum verkauft ihr sie nicht? Richtig, es ist euch zu viel Aufwand im Verhältnis zum erwartenden Ertrag.
Soweit der Malus, nun zum Bonus
Was haben die Momoxe dieser Welt nun anders gemacht, mal abgesehen von ihrem illegalem Verhalten? Sie haben sich alle Prozesse durch eine Industrialisierungsbrille angeschaut und festgestellt, dass in der gesamten Prozesskette viel Potenzial zu heben ist. Das ist so und mittlerweile ist es auch ›günstiger‹ zu heben.
Es war ihr Digitalisierungs- / Automatisierungs-Mindset. Und genau da ist der springende Punkt. Stellt euch doch bitte einmal innerhalb eurer eigenen Prozesskette vor, wie, ein optimal automatisierter Prozess vom Ankauf bis zum Listing aussehen müsste. Teilt nun den Gesamtvorgang in Einzelschritte auf. Die nächste Denksportaufgabe wäre nun eure Träumereien in die Realität zu holen, also zu erden. Was ist damit gemeint? Nicht alles, was ihr denkt, könnt ihr auch umzusetzen. Zum einen sind einige Ideen unrealistisch, zu teuer, unwirtschaftlich oder ihr habt schlicht kein Geld für deren Umsetzung. Macht nix, es muss ja nicht alles von vornherein 100%-ig sein. 80% tun es auch! Und bitte denkt daran, dass Individualisierung ein ›Killer‹ ist. Versucht, Dinge zu vereinheitlichen. Schafft zum Beispiel ein Qualitätsbewertungssystem, clustert Größen und denkt auch das unmöglich: »Was wäre, wenn die Listung eines Artikels nur 50 Cent kosten würde?«
Okay, und nun fragt euch, was ihr an Einzelschritten mit welchem Aufwand umsetzen könnt. Fragt euch, was das an Ersparnis bringen könnte. Denkt durchaus auch einmal an Alternativen, also nicht das Optimum, sondern such nach einem Kompromiss. Fassen wir zusammen:
- Optimalen Prozess denken
- Diesen Prozess kleinschrittig runterbrechen
- Kleine Prozesse mit Kompromissen denken
- Schafft Standards
Egal was ihr am Ende des Tages tatsächlich umsetzen könnt, ihr habt jetzt schon mehr geschafft als die meisten eurer Wettbewerber. Ihr habt Klarheit und Ordnung in euren Betrieb gebracht. Aber natürlich fehlt noch eine entscheidende Antwort auf die Fragen »Was kann ich denn realistisch umsetzen?« und »Was kann ich umsetzen, OHNE mir den optimalen Weg zu verbauen?«
Und zum Schluß ein paar ganz konkrete und sofort umsetzbare Ansätze:
- Sucht euch einen virtuellen Mitarbeiter für 1 oder 2 Euro pro Stunde (auch 4 € gehen)
- Vergebt für jeden Artikel eine Artikelnummer
- Erstellt ein Formular zur Artikeldatenerfassung
- Legt fest was an den Produkten abfotografiert werden musss
- Schafft euch ein Template an. Alle Daten sollen immer an der gleichen Stelle stehen
- Übergebt Bildbearbeitung & Listing an eure virtuellen Mitarbeiter
Das Ziel dieses Artikels ist es, euch einige Ideen zu vermitteln, wie ihr mit ein paar wenigen Handgriffen euer Business-Modell optimieren könnt. Natürlich werdet ihr etliche Stellen kritisieren können. Viele Gedanken sind nur oberflächlich angerissen und nicht alles passt auf euer spezifisches Modell. Bitte nehmt die Idee mit, dass ihr die Herausforderung habt, eure Prozesse zu standardisieren und zu automatisieren. Das ganze auch zunächst manuell. Und das ist kein Widerspruch.
Und btw: Vieles von diesen Ideen lässt sich auch auf einen Retourenprozess anwenden! Wir hatten ja kürzlich die Idee, dass auch Retourenware einen echten Wert haben kann.
…momox mit Antikhändlern zu vergleichen ist wie das Äpfel-Birnen-Ding. Außer man nimmt einen Schallplattenhändler zum Vergleich, der kann es so machen.
Das “rebuy”-Gewerbe hat sehr wenig mit Sammeln, Seltenes und Antiquitäten zu tun. Genauso fälschlich wie “Second-Hand” generell fast immer nur auf Kleidung bezogen wird.
Aber was man bei dem Sammeln, Seltenes, Antik-Gewerbe nicht vergessen darf: Trotz immer noch vieler manueller Vorgänge bei den Unikat-Artikel liegen dort auch äußert oft kräftige Gewinnspannen drauf, die sowas wieder locker gut machen. Diese Gewinnspannen kennen aber auch nur die Insider, Spezialisten und Kenner der bestimmten Fachgebiete… dieses aus jahr(zehnter)lange Erfahrung gewonnene Wissen, kann man nicht skalieren. Zudem ist immer die Frage, was der Markt gerade so hergibt. Auf Bestellung gibt es da halt selten was.
Es ist und bleibt ein Ding für sich, was man wenigstens nur in manchen Vorgängen automatisieren kann.
Was nutzt eine gute Gewinnspanne, wenn diese absolut nicht ausreicht den Kühlschrank voll zu bekommen. Ich kenne tatsächlich kaum wohlhabende Antik-Händler.
War nun nicht so kritisch zum Artikel gemeint.
Das muss der Händler dann nun selber wissen, ob ihm die Spanne zum Leben reicht. Skalierung und Automatisierungen hin oder her.