Das LG Flensburg hatte zu entscheiden, ob eine Urheberrechtsverletzung oder eine Ausnahme, also ›unwesentliches Beiwerk‹, in einem Video vorlag. Da während der meisten Zeit im Video ein Plagiat zu sehen war, urteilte das Gericht im Sinne der Klägerin. Und dabei ging es in dem Insta-Video gar nicht um das Nachahmerprodukt selbst, sondern es sollte das Nagelstudio der Beklagten gezeigt werden.
Was war passiert?
Die Beklagte zeigte ihr Nagelstudio in einem Video. An der Wand hing ein Metallobjekt, was dem der Klägerin sehr ähnelte. Die Klägerin fertigt Kunstobjekte unter dem Namen ›Edelblühte‹. Sie erkannte die Ähnlichkeit zu einem ihrer Werke und mahnte die Beklagte wegen einer Urheberrechtsverletzung ab. Das Gericht urteilte: zu Recht!
Unwesentliches Beiwerk nach §57 UrhG
»Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken, wenn sie als unwesentliches Beiwerk neben dem eigentlichen Gegenstand der Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe anzusehen sind.« Darauf versuchte sich die Videoerstellerin zu stützen. Wesentlicher Inhalt des Videos war ja nicht das Plagiat, sondern eben die Vorstellung und Arbeitsweise des Kosmetikstudios. Dem folge das Gericht nicht:
»Aufgrund der Dauer, für die die Vervielfältigungen des Werks ›Edelblüte‹ im Video zu sehen sind, und aufgrund der Art und Weise, in der diese im Video dargeboten werden, handelt es sich nicht um eine gemäß § 57 UrhG erlaubte Vervielfältigung und öffentliche Zugänglichmachung.
Nach § 57 UrhG ist die Vervielfältigung und öffentliche Wiedergabe von Werken zulässig, wenn sie als unwesentliches Beiwerk neben dem eigentlichen Gegenstand der Vervielfältigung oder öffentlichen Wiedergabe anzusehen sind. Von einer Unwesentlichkeit in diesem Sinn ist auszugehen, wenn das Werk weggelassen oder ausgetauscht werden könnte, ohne dass dies dem durchschnittlichen Betrachter auffiele oder ohne dass die Gesamtwirkung des Hauptgegenstands in irgendeiner Weise beeinflusst wird […] Hierzu reicht eine bloß untergeordnete Beziehung nicht aus. Bei der gebotenen engen Auslegung der Schrankenbestimmung ist unwesentlich […] vielmehr nur ein Werk, das neben dem Gegenstand der eigentlichen Verwertung selbst eine geringe oder nebensächliche Bedeutung nicht erreicht. […]«
Und weiter sahen die Richter:
»Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe handelt es sich bei den Vervielfältigungen des Werks ›Edelblüte‹ im Video nicht lediglich um ein unwesentliches Beiwerk im Sinne der Vorschrift.
Denn die Vervielfältigungsstücke sind sowohl für eine erhebliche Dauer, als auch in den Screenshots – wobei das Gericht mangels abweichender Anhaltspunkte davon ausgeht, dass diese repräsentativ für das Video sind – neben dem Kopf der Verfügungsbeklagten, die – offenbar – den Ablauf im Studio erklärt und auf die der Betrachter des Videos daher vor allem schauen wird, und damit hervorgehoben sowie in erheblicher Größe sichtbar. Damit prägen sie jedenfalls den ästhetischen Eindruck, den der Betrachter des Videos vom Studio der Verfügungsbeklagten beim Betrachten des Videos unvermeidbar gewinnt, mit.«
Was bedeutet das nun?
Die Fake-Rolex am Arm, Plagiate im Büro, Nachahmerprodukte in der Ausstellung oder als Hintergrund für eure Videos können eine Urheberrechtsverletzung begründen, wenn man der Meinung der Richter folgt.
In der Konsequenz solltet ihr also unbedingt immer auch auf eure Hintergründe achten, die ihr in euren Videos oder Produktbildern zeigt. Überprüft auch einmal euer bereits erstelltes Bewegtbild-Material!
Danke für den Link. Dann sind meine ersten beiden Kommentare für diesen Fall wohl unzutreffend, da es sich um die gezielte Weiterverbreitung einer nicht genehmigten Nachahmung handelt. Hätte ich mir also sparen können, wenn der Hinweis und damit vollständige Kontext schon im Artikel gekommen wäre.
… was ja nun für das Urteil völlig unerheblich war & ist.
Nachdem ich über Suchmaschine eine Anwaltsseite gefunden habe, die diesen Fall darstellt, liest sich die Sache doch etwas anders, denn dort steht, die Beklagte habe während der pandemiebedingten Flaute Nachahmungen selber gefertigt und in ihrem Nagelstudio ausgehängt. Dann fällt mein Bild von der unwissenden Besitzerin zusammen. Dumm gelaufen. Falls die Ausführungen der Anwaltsseite stimmen. Nachschlagen unter “Edelblühte Urheberrecht”, erschienen vor zwei Tagen.
Hier ein etwas ausführlicher Link: https://www.gesetze-rechtsprechung.sh.juris.de/jportal/portal/t/2o3m/page/bsshoprod.psml;jsessionid=C7DDBE0C3F649416A2D2BE582B113E12.jp14?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=JURE210008149%3Ajuris-r02&doc.part=L&doc.price=0.0&doc.hl=1
…und noch was: Warum wird nicht der Hersteller oder Verkäufer des Plagiats verklagt, sondern eine ahnungslose Besitzerin? Das Gericht hat wohl noch nichts von Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit gehört? So manche kruden Urteile der Vergangenheit lassen einen schon fragen: Wann macht die dritte Gewalt im Staat endlich ihre Hausaufgaben?
Kläger und Richter machen etwas zur Hauptsache, was gar nicht Gegenstand des Videos ist. Ein Deutschlehrer würde denen husten: Thema verfehlt, setzen, sechs. Wie viele Webeanzeigen gibt es und wie viele Landschaftsmalereien, bei denen die werbende Firma klagen kann: Das Bild im Hintergrund zeigt ja ein fast gleiches Motiv wie unser Werbefoto, das ist Urheberrechtsverletzung. Auch wenn das beanstandete Landschaftsgemälde aus dem 19.Jh. stammt? Ferrari hat sich früher auch so mimosenhaft hosenvollmachend angestellt und alles, was irgendwie nach springendem Pferd aussah, als Urheberrechtsverletzung beklagt, auch wenn es eine andere Farbe, Proportion und Richtung hatte. Ein Hamburger Juwelier wurde in den 1990er Jahren für ein legal erworbenes Schmuckstück zu 70000 DM Schadensersatz verurteilt. Ein Restaurantbesitzer hatte ein rotes, flacher als das schwarze Original springendes gedrungeneres Pferd (mehr Brauereigaul als Araberhengst) an seinem Haus hängen, auch Grund für einen kostspieligen Prozess. (Komisch, dass Porsche und Stuttgart wegen ihres pferdhaltigen Wappens noch nicht verklagt worden sind.) Es gibt Kläger, bei denen man schon mimosenhaften Narzissmus annehmen möchte, und wäre ich da Kunde, wäre ich es die längste Zeit gewesen. Muss ich mich beim Zeigen meiner Fotos vorsehen, weil die im Rahmen der gesetzlich abgesicherten Panoramafreiheit gemachten Stadtansichten ein Firmensymbol enthalten? Muss ich auf das Bild verzichten, wenn ein Auto im Mittelgrund geparkt ist, auf dessen Karosseriedesign der Hersteller ein alleiniges Urheber- und Präsentationsrecht hat?
Verbrechensopfer müssen ewig auf ihr Recht warten (Staatsversagen), aber Narzissten in der Wirtschaft springt das Gericht sofort bei (Überwachungsstaat per Urheberrecht und Urheberrechtsmissbrauch). Deutschland pervers, Deutschland von Sinnen, Deutschland im chronischen Hirndurchschuss.