So sehen das jedenfalls die Richter des OLG Dresden im Verfahren 4 W 235/21. Ein Online-Marketer hat einen Kunden verklagt, der mit öffentlicher negativer Kritik drohte. Die Agentur erhoffte sich einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch. Die Hoffnung stirbt zuletzt, aber sie stirbt. Die Kammer lehnte den Anspruch ab, auch in der Berufung.

Was war passiert?

Ein Ex-Kunde der Onlinemarketingagentur kündigte über WhatsApp an, eine öffentliche Kampagne gegen das Unternehmen zu fahren, um die Geschäftspraktiken anzuprangern, wenn man in der Vertragsanpassung zu keiner einvernehmlichen Lösung käme. Diese Drohung fand die Agentur doof und ging dagegen vor. Sie klagte auf Unterlassung.

Der Unternehmer wollte also eine Unterlassung durchsetzen, bevor überhaupt die eigentliche Handlung – also die Schmutzkampagne – begangen worden ist.

Die Richter haben richtig nachgedacht

Grundsätzlich ist ein solcher vorbeugender Unterlassungsanspruch möglich. Aber da gibt es hohe Hürden, die überwunden werden wollen. Das ist dem Kläger nicht gelungen.

»Bei der Geltendmachung dieses sogenannten „vorbeugenden“ Unterlassungsanspruchs handelt es sich um den härtesten Eingriff in die Äußerungsfreiheit bei gleichzeitig stärkstem Schutz desjenigen, der eine Verletzungshandlung seitens des Äußernden befürchtet. Berechtigterweise stellt die Rechtsprechung deshalb erhöhte Anforderungen an die Darlegung der Erstbegehungsgefahr und fordert für deren Bejahung konkrete Tatsachen, die die Verbreitung und Absicht eines rechtswidrigen Eingriffs mit Sicherheit erkennen lassen.

Bei einer vorbeugenden Unterlassungsklage muss jedenfalls die bevorstehende Rechtsverletzung konkret festgestellt und hierzu durch den Antragsteller dargelegt und im Einzelfall bewiesen oder zumindest glaubhaft gemacht werden. Anhaltspunkte für eine Erstbegehungsgefahr können deshalb nur dann vorliegen, wenn der Betroffene bereits den konkreten Inhalt der beabsichtigten Mitteilung kennt und dem Gericht entsprechende Unterlagen vorlegen und glaubhaft machen kann. […]

Die rechtswidrige Störung muss als unmittelbar bevorstehend anzusehen sein. […]

Soweit der Antragsgegner angedroht hat, demnächst eine rufschädigende Kampagne zu Lasten der Antragstellerin zu starten, genügt dies im Übrigen nicht für die Annahme eines rechtswidrigen Eingriffs. Der Antragsgegner hat sinngemäß ausgeführt, er werde ausschließlich belegbares Fehlverhalten der Antragstellerin veröffentlichen. Soweit es sich hierbei um nachprüfbare Fakten handelt, steht hier also allein die Gefahr wahrer Tatsachenbehauptungen im Raum, auf deren Unterlassung grundsätzlich kein Anspruch besteht.

Sofern die Äußerungen des Antragsgegners dahin gehen sollten, der Antragstellerin ein betrügerisches Geschäftsgebaren vorzuwerfen, sind solche Äußerungen im allgemeinen Meinungsäußerungen und keine Tatsachenaussagen. […]

Eine scharfe Kritik müsste die Antragstellerin als Meinungsäußerung hinnehmen. Als juristische Person des Privatrechts kann sie bereits begrifflich nicht in ihrer Intimsphäre verletzt sein, sondern allenfalls im Rahmen ihres Geltungsanspruchs als Unternehmen in ihrer Sozialsphäre. Aus diesem Grunde haben juristische Personen des Privatrechts auch unsachliche Kritik grundsätzlich hinzunehmen. […]«

(Quelle: Dr. Bahr)

Die Richter erkannten keine Erstbegehungsgefahr. Erforderlich wäre gewesen, dass der Kläger den konkreten Inhalt der Tat kennen würde. Und genau das konnte er im Verfahren nicht darlegen bzw. glaubhaft machen. Darüber hinaus stellten die Richter fest, dass eine scharfe Kritik hinzunehmen sei.

Einordnung

Bringen wir es auf den Punkt: Händlern den Mund zu verbieten, wenn es mal brenzlich mit einem Partner wird, ist schwer. Das ist auf der einen Seite gut, aber wie immer hat eine Medaille zwei Seiten. Natürlich kann das euch auch als Händler und Unternehmer selber treffen. Nahezu jeder hat bereits ähnliche Drohungen wie hier diese Agentur erhalten. Und wäre es nicht schön, wenn wir alle die Sicherheit hätten, uns hiergegen bereits im Vorfeld wehren zu können? Eigentlich ja, denn dadurch könnten wir alle einen möglichen Reputationsschaden nahezu ausschließen.

Eigentlich, denn tatsächlich ist Meinung wichtig. Ihr müsst sie frei äußern dürfen … und eure Kunden auch. Meinungsfreiheit ist ein unfassbar hohes Gut.

Trotzdem sind wir alle nicht chancenlos, uns zu wehren. Die Hürden sind halt hoch, aber wenn sie überwunden werden können, Stichwort Erstbegehungsgefahr, Glaubhaftmachung, dann könnt ihr auch erfolgreich sein.