Archiv der Kategorie: Politik

Digital Markets Act (DMA): EU-Behörden arbeiten zusammen

Die EU-Wettbewerbsbehörden haben ein gemeinsames Papier erarbeitet, was die Rolle der nationalen Behörden bei der Umsetzung des DMA beschreibt. Mit dabei war der Chef des Bundeskartellamts Andreas Mundt. Die gemeinsame Erklärung sieht eine Koordination bei der Umsetzung des DMA der Behörden vor. Der Digital Markets Act soll unter anderem für einen fairen Umgang der Plattformen mit Anwendern sorgen.

»Wir begrüßen den Vorschlag des Digital Markets Act als Instrument, das das etablierte Wettbewerbsrecht ergänzen soll. Dabei sprechen wir uns für eine Anwendung des Digital Markets Act durch die Generaldirektion Wettbewerb auf europäischer Ebene aus, ergänzt um Möglichkeiten einer komplementären Durchsetzung durch nationale Wettbewerbsbehörden. Der Vorschlag basiert insbesondere auf der Arbeit und erfolgreichen Entscheidungspraxis, die sowohl die Generaldirektion Wettbewerb als auch nationale Wettbewerbsbehörden in den letzten 20 Jahren im Digitalbereich geleistet haben. Auch der Erfolg des Digital Markets Act wird von dessen effektiver Durchsetzung abhängig sein. Mit der Kombination aus ihrer branchenübergreifenden Expertise und ihren Erfahrungen mit digitalen Märkten können die europäischen Wettbewerbsbehörden einen entscheidenden Beitrag hierzu leisten«, so Mundt in der Pressemitteilung seiner Behörde.

DMA? Was ist das?

»Der vorgeschlagene Verordnungsentwurf richtet sich an große Onlineplattformen, die aufgrund bestimmter Kriterien als ›Gatekeeper‹ einzustufen sind. Diesen werden dann im Hinblick auf besonders relevante ›Kern-Plattformdienste‹, zu denen Online-Intermediäre, Suchmaschinen, soziale Netzwerke, Video-Sharing-Plattformen, bestimmte Kommunikationsdienste, Betriebssysteme, Cloud-Dienste und Anbieter von Diensten im Bereich Onlinewerbung zählen können, besondere Pflichten auferlegt. Beispielsweise sieht der Entwurf vor, dass als ›Gatekeeper‹ eingestufte Plattformen Dritten in bestimmten Situationen die Zusammenarbeit mit deren Diensten erlauben müssen, oder dass entsprechende Plattformen von ihnen selbst angebotene Dienste beim Ranking nicht bevorzugt behandeln dürfen«, ist auf der Seite des Kartellamtes zu lesen.

Auf den Informationsseiten der EU ist zu lesen: Welche Vorteile bringt das Gesetz über digitale Märkte?

  • Gewerbliche Nutzer, die auf Gatekeeper angewiesen sind, um ihre Dienstleistungen im Binnenmarkt anzubieten, können sich auf ein faireres Geschäftsumfeld freuen.
  • Für Innovatoren und Technologie-Start-ups bieten sich neue Möglichkeiten, im Umfeld von Onlineplattformen zu konkurrieren und innovativ zu sein, ohne sich an unfaire Bedingungen halten zu müssen, die ihre Entwicklung bremsen.
  • Verbraucher/innen können mehr und bessere Dienstleistungen wählen und eher ihren Anbieter wechseln, haben direkten Zugang zu Dienstleistungen und fairen Preisen.
  • Den Gatekeepern bleiben alle Möglichkeiten, innovativ zu sein und neue Dienstleistungen anzubieten. Sie dürfen nur gegenüber den von ihnen abhängigen gewerblichen Nutzern und Kunden keine unlauteren Praktiken anwenden, um einen unbilligen Vorteil zu erlangen.

Das dürfen Gatekeeper-Plattformen künftig nicht mehr:

  • Dienstleistungen und Produkte, die der Gatekeeper selbst anbietet, gegenüber ähnlichen Dienstleistungen oder Produkten, die von Dritten auf der Plattform des Gatekeepers angeboten werden, in puncto Reihung bevorzugt behandeln,
  • Verbraucher/innen daran hindern, sich an Unternehmen außerhalb ihrer Plattformen zu wenden,
  • Nutzer/innen daran hindern, vorab installierte Software oder Apps zu deinstallieren, wenn sie dies wünschen.

Die vollständige Erklärung des DMA könnt ihr hier nachlesen!

Einordnung

Der Teufel liegt im Detail. Oder aber in den Händen der Lobbyisten, also der Interessensvertreter der Plattformen, Verbraucher und Händler, dem DIHK e.V oder Verbänden wie dem BVOH e.V.. Da wird sich dann im weiteren Verlauf ergeben, wie sich die Umsetzung und Ausgestaltung tatsächlich zeigen wird.

Grundsätzlich liest sich der DMA gut, wie er in der Praxis angewendet wird, bleibt abzuwarten. Und es ist ja nie zu spät, nachzubessern.

Macht ganz einfach mit: Kampf gegen Briefkastenfirmen & Steuerschlupflöcher!

Nicht wenige von euch beklagen, dass sie legale Steuerschlupflöcher wegen ihrer Komplexität nicht nutzen können oder ihr die Kosten für den Betrieb einer Briefkastenfirma als Hürde anseht. In der Konsequenz fühlt ihr euch benachteiligt, weil euch solche Steueroptimierungen in der Praxis nicht zur Verfügung stehen. Mit dieser Meinung steht ihr nicht alleine da, denn auch die EU möchte steuerliche Fairness herstellen und eine aggressive Steuerplanung unterbinden. Und genau hier könnt ihr mitwirken!

Kampf gegen aggressive Steuerplanung durch Briefkastenfirmen: Eure Meinung zählt!

Kampf gegen aggressive Steuerplanung durch Briefkastenfirmen: Eure Meinung zählt!
Vor ihrer neuen Initiative zum Kampf gegen die missbräuchliche Nutzung von Briefkastenfirmen zu Steuerzwecken hat die Europäische Kommission am 8. Juli eine öffentliche Konsultation angesetzt. Die Kommission will dazu neue Maßnahmen vorschlagen – etwa die Verpflichtung für Unternehmen, den Steuerverwaltungen die notwendigen Informationen zu melden, um zu beurteilen, ob sie tatsächlich wirtschaftlich aktiv sind oder nur rechtlich über den Eintrag in ein Firmenregister existieren. Bei Briefkastenfirmen könnten die Steuerverwaltungen dann Steuervorteile verweigern.

Erstmals wurde die Initiative der Kommission als Teil der Mitteilung zur Unternehmensbesteuerung im 21. Jahrhundert angekündigt. Mit mehreren EU-Initiativen wurden in den letzten Jahren bereits wirksame neue Instrumente geschaffen, um gegen die Verwendung von oft rein künstlichen und aggressiven Steuerstrukturen vorzugehen, die zur Verringerung von Steuerzahlungen genutzt werden.

(Quelle: Screenshot Initiative EU-Kommission)

Die Konsultation läuft bis zum 27. August 2021. Die eingehenden Rückmeldungen werden bei der weiteren Entwicklung und Feinabstimmung der Initiative berücksichtigt. Dazu wird die Kommission die Beiträge in einem Bericht zusammenfassen und dabei erläutern, in welcher Weise sie berücksichtigt werden bzw. warum bestimmte Vorschläge nicht aufgegriffen werden können. (Mit Material aus der Pressemitteilung der EU-Kommission.)

Und hier geht es zur öffentlichen Konsultation [teilweise in englischer Sprache].

Was ist eine öffentliche Konsultation?

Bürgerinnen, Bürger, Unternehmen, Interessenvertreter oder Verbände können sich am politischen Geschehen beteiligen. Um eure Meinung äußern zu können, gibt es das Instrument der ›öffentlichen Konsultation‹. Die EU lässt eure Meinungen mit in die Folgeabschätzung einfließen.

»Über laufende öffentliche Konsultationen informiert die EU-Kommission auf ihrem Webportal. Hier können Sie sich während verschiedener Phasen des Beschlussfassungsverfahrens zu EU-Strategien äußern.

In ihren  “Roadmaps” (Fahrplänen) und Folgenabschätzungen informiert die EU-Kommission über neue Initiativen, Evaluierungen und Eignungstests. Sie haben die Möglichkeit, hierzu Stellung zu nehmen. Die Kommissionsdienststellen berücksichtigen die Rückmeldungen bei der Weiterbearbeitung der Vorschläge«, informiert das BmWi.

Es gibt zwar ein Webportal, welches eigentlich alle Konsultationen auflisten sollte, dieses scheint aber buggy zu sein. Daher erfahrt ihr am einfachsten durch ein Abo des EU-Newsletters von gestarteten Konsultationen.

Sicherstellungen beim Nürnberger Zoll: Pakete, Pillen, Plagiate

Nürnberg wird sicherlich nicht als Eintrittskanal für illegale Waren erwartet. Daher sind die Zahlen die das Hauptzollamt aktuell veröffentlicht bemerkenswert. Nicht zuletzt deshalb, weil sie Anhaltspunkte über die Dimension von illegalen Einfuhren nach Deutschland geben.

»Massenweise Waren, deren Einfuhr verboten ist, kamen beim Nürnberger Zollamt Hafen seit Anfang April 2021 in Postpaketen aus unterschiedlichsten Ländern an.

Aus knapp 40 Paketsendungen wurden gefälschte Markenartikel – darunter Bekleidung, Schuhe und Taschen verschiedenster Hersteller – im Rahmen der zollamtlichen Abfertigung aus dem Verkehr gezogen. Der Wert der Originalwaren hätte sich auf knapp 160.000 Euro belaufen. Angemeldet wurde jedoch immer nur ein Bruchteil des Originalpreises.

Die Empfänger werden nicht nur auf die Ware und wahrscheinlich die Rückerstattung des Kaufpreises verzichten müssen, sie erwarten gegebenenfalls noch Ansprüche des Markenrechtsinhabers. So musste zum Beispiel eine unbelehrbare Frau aus dem Großraum Nürnberg, nachdem sie sich zum zweiten Mal gefälschte Textilien eines Luxusmarkenherstellers liefern ließ, 1.000 Euro an den Rechteinhaber bezahlen.

»Besonders bedenklich sind auch die vielen Fälle, in denen wir Arzneimittel sichergestellt haben«, so Martina Stumpf, Pressesprecherin beim Hauptzollamt Nürnberg. »Bereits in über 90 Fällen wurde das Zollamt Hafen in diesem Jahr schon tätig, was fast der Gesamtzahl aus 2020 entspricht. Der Zoll schützt mit diesen Beschlagnahmen die Verbraucher*innen vor gesundheitlichen Risiken und Schäden

Privatpersonen dürfen nach dem deutschen Arzneimittelrecht im Wege des Post- oder Kurierversands grundsätzlich keine Arzneimittel aus dem Ausland beziehen. Hierbei ist zu beachten, dass auch Präparate, die im Ausland frei gehandelt werden, wie zum Beispiel Nahrungsergänzungsmittel oder Vitaminpräparate, in Deutschland als Arzneimittel gelten können und dann dem Arzneimittelgesetz unterliegen. Damit soll sichergestellt werden, dass nur Arzneimittel nach Deutschland gelangen, die nach arzneimittelrechtlichen Gesichtspunkten unbedenklich sind.

Die gefälschten Markenartikel werden wie die Arzneimittel vernichtet. Die Empfänger müssen mit Geldbußen oder -strafen rechnen«, so die Presseerklärung des Nürnberger Zolls.

Erfreulich zu lesen ist, dass die Rechteinhaber auch gegen Verbraucher vorgehen. Aus Händler- und Handelssicht ist es gut, dass hier gegenüber den Verbrauchern ein Risikobewusstsein aufgebaut wird. Aber wie sehen die Beschlagnahmen bundesweit aus?

Und das hat der deutsche Zoll 2020 beschlagnahmt

Etwa 3,7 Millionen Waren hat der deutsche Zoll 2020 beschlagnahmt. Bei der illegalen Ware handelt es sich meistens um gefälschte Markenprodukte. Die größte Anzahl an beschlagnahmten Artikeln stammt aus dem Bereich Elektronik, wie die Jahresstatistik der Bundeszollverwaltung zeigt.

Rund 255.000 Elektronikartikel wie Laptops und Tablets, sowie etwa 250.000 Mobiltelefone fielen dem Zoll im vergangenen Jahr bei Durchsuchungen in die Hände. Die drittbeliebteste Kategorie der Schmuggler sind Spielwaren und Sportartikel (232.147 Waren), gefolgt von Kleidung (206.566 Waren). Mehr als die Hälfte der Waren stammt dabei aus China und Hongkong. Weitere Hauptherkunftsländer sind die Türkei (12,5 Prozent), Singapur, Taiwan und die USA (zusammen 4,6 Prozent).

Gemessen an der Anzahl der eingeführten Warensendung – und das sind Milliarden an Paketen, Containern und LKW-Ladungen – dürfte die Dunkelziffer entsprechend hoch sein. Leider. Entsprechend hoch sind dann natürlich die nicht realisierten Zölle, Einfuhrabgaben und Strafen.

Mehr Prüfungen, bitte

Daher ist es wichtig, dass die deutschen und europäischen Prüfquoten der eingehenden Sendungen massiv angehoben werden müssen. Eine hohes Aufdeckungsrisiko schützt nicht nur Verbraucher, sondern auch den deutschen und europäischen Handel.

Zwei Drittel aller Verbraucher von Cookie-Hinweisen genervt. Abschalten! Schnell!

Wenn der Gesetzgeber es gut meint, aber schlecht ausführt, dann sind die Verbraucher mitunter die Leidtragenden. Und genau so ist das im Rahmen der Cookie-Hinweisorgien zu interpretieren. 25,4 % aller Online-Käufer in Deutschland lehnen Website-Cookies ab. Das hat eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts civey im Auftrag von vviinn ergeben.

»64,3% aller Kunden empfinden Cookie-Hinweise als nervendes Hindernis beim Onlineshopping, dieser Trend verstetigt sich zunehmend«, sagt Philipp Derksen, E-Commerce-Experte. »Ziel muss es sein, den Kunden ein Onlineshoppingerlebnis ohne Cookie-Hinweise zu bieten.«

Diese Umfrage zeigt deutlich, dass Verbraucher den Sinn und die Notwendigkeit der Belehrung oder besser ausgedrückt der aktiven Zustimmung zur Nutzung von Cookies nicht unterstützen. Er ist lästig und stellt eine Hürde beim Surfen dar. Verbraucher scheinen in der Breite die durch die DSGVO und das neue TTDSG bestimmte Pflicht der Zustimmung abzulehnen.

Wann & wie kommt die ePrivacy-Verordnung?

Es bleibt also nur zu hoffen, dass es bald Ergebnisse in den Trilogverhandlungen zwischen EU-Rat, Kommission und Parlament zur ePrivacy-VO kommen wird. Denn diese sieht eine Lockerung der gegenwärtigen Cookie-Regelung vor. Das ist gut so, denn dadurch wird die Nutzung von Webseiten vereinfacht und Verbraucher können ungestört eure Seiten nutzen.

Handlungsaufforderung an Interessensvertreter

Verbände sollten sich in ihr Hausaufgabenbuch schreiben, die politischen Entscheidungsprozesse mit aussagekräftigen Positionen und Daten aus Umfragen und Studien zu unterstützen. Wenn mündige Verbraucher in der Mehrheit komplexe Zustimmungen und Cookie-Hinweise ablehnen und sie als Behinderung erkennen, dann ist diesem Verbraucherwillen auch zu folgen. Denn ansonsten wird hier eine unnötige Hürde eingezogen, die das Nutzererlebnis negativ beeinflusst.

(Quelle: Screenshot IONOS)

Tatsächlich hat es mitunter den Anschein, dass eine kleine Gruppe an Datenschutzaktivisten beginnen, dass Onlinegeschehen zu bestimmen, OHNE dass sie und ihre Positionen den Willen der Mehrheit repräsentieren. DAS muss durch die Verbände, Interessenvertreter der Unternehmen und Kammern deutlich gemacht werden.

Starker Anstieg: Zahl der gemeldeten China-Händler

Das geht aus einer Kleinen Anfrage der Linken an die Bundesregierung hervor. Und zwar wollten einige Linken-Abgeordnete wissen, wie es denn um die Wirksamkeit der Maßnahmen gegen Umsatzsteuerhinterziehung auf Marktplätzen steht. Die Zahl der gemeldeten China-Händler hat sich zwischen 2019 und 2021 versechsfacht.

»Bis Anfang Mai 2021 haben sich der Antwort zufolge rund 64.000 Unternehmen aus China, Hongkong oder Taiwan beim zuständigen Finanzamt Berlin-Neukölln angemeldet. Anfang 2019 lag die Zahl bei etwa 7.700 Unternehmen. Es könne davon ausgegangen werden, dass die weit überwiegende Anzahl der registrierten Unternehmen im Onlinehandel tätig ist«, so die Bundesregierung.

Ende 2018 wurde das Gesetz verabschiedet. Seitdem müssen Drittlandhändler ihre steuerliche Erfassung gegenüber den Plattformen regelmäßig belegen. In der ›Kleinen Anfrage‹ ist auf einen SPIEGEL-Beitrag aus dem Jahr 2017 verwiesen.

»Die Mehrwertsteuer wird offenbar reihenweise nicht abgeführt: Allein auf Amazons deutschem Marktplatz und bei Ebay tummeln sich 5.000 bis 6.000 chinesische Anbieter, errechnete der Analyst Mark Steier, einst bei Ebay selbst als ›Platin-Powerseller‹ aktiv. Sie alle müssten eigentlich beim Finanzamt Neukölln angemeldet sein. Tatsächlich sind laut der zuständigen Senatsverwaltung Finanzen gerade einmal »rund 430 Händler mit Sitz in der Volksrepublik China (einschließlich Hongkong) umsatzsteuerlich registriert«. Mehr als 90 Prozent der Anbieter besitzen also nicht einmal eine deutsche Umsatzsteuernummer«, so der SPIEGEL-Beitrag

Bei der Beantwortung der meisten Fragen weist die Regierung darauf hin, dass Umsatzsteuer-Angelegenheiten Ländersache seinen und sie daher viele Fragen nicht beantworten könne. Ihr liegen keine Erkenntnisse vor.

Das Problem der Prüfungen & Identifikation von Steuerbetrügern

Hier verweist die Bundesregierung auf eine Erweiterung des Webcrawlers, die für Ende 2021 geplant ist. Diese Software ist bereits seit 2003 im Einsatz und viele von euch werden sie bereits erlebt haben. Nämlich wenn es zu einer Betriebsprüfung kam und ihr den Anlass erfahren habt.

»Auf der Grundlage der Suchergebnisse kann abgeglichen werden, ob der Anbieter/Onlinehändler im Inland steuerlich registriert ist und auf welchen elektronischen Marktplätzen (registrierte) Onlinehändler aus Drittstaaten tätig sind«, so die Bundesregierung. Und weiter: »Der Ausbau der KUSS zur steuerlichen Erfassung von Social-Media-Akteuren, um deren gleichmäßige Besteuerung in allen Bundesländern sicherzustellen, ist nicht geplant. Auf die Zuständigkeit der Länder für die Erhebung und Kontrolle der Umsatzsteuer nach Artikel 108 Absatz 2 und 3 GG wird hingewiesen.«

Leider ist es so, dass Umsatzsteuerprüfungen Ländersache sind, sodass die Regierung hierzu wenig Auskunft geben kann. Lediglich in Rahmenvereinbarungen mit den Ländervertretern ist die Festlegung von Prüfquoten möglich.

»Das Bundesministerium der Finanzen hat sich 2020 dafür eingesetzt, dass die Prüfquote für die Umsatzsteuer-Sonderprüfung in den sogenannten Rahmenkatalog maßgebender Leistungskennzahlen nach § 21a Absatz 2 FVG aufgenommen wird. Mit der Aufnahme der Prüfquote in den Rahmenkatalog ist die Voraussetzung geschaffen worden, um zukünftig mit den Ländern diesbezügliche Verhandlungen zu führen und im gegenseitigen Einvernehmen verbindliche Ziele zur Prüfquote zur Umsatzsteuer-Sonderprüfung zu vereinbaren«, antwortet die Bundesregierung.

Einordnung

Aus der Beantwortung des Fragenkatalogs, der im Rahmen der Kleinen Anfrage an die Regierung gerichtet worden ist, geht nicht hervor, wie viel Mehreinnahmen generiert werden konnten und wie effektiv die Gesetzesänderungen nun tatsächlich sind. Das ist unbefriedigend, ist aber auch unserem Föderalismus bzw. der Unbedachtheit der Bundesregierung geschuldet. Tatsächlich hätte es Vereinbarungen geben können, dass diese Zahlen zentral zu erfassen sind.

Ob nun das Mehrwertsteuer-Digitapaket eine Lösung bringt, darf angezweifelt werden. Hier müssen sich alle Verbände bemühen, dass die wesentlichen Leistungskennzahlen zentral erfasst und öffentlich einfach zugängig gemacht werden.

Nach wie vor ist es nur mit großer Anstrengung möglich, den tatsächlichen Umsatzsteuerschaden zu erfassen. Wortfilter liegen gesicherte Erkenntnisse vor, dass viele Drittlandhändler – besonders China-Händler – falsche Umsatzsätze an das Finanzamt melden. Hierzu stehen ihnen sogar betrügerisch agierende Dienstleister zur Verfügung.

Neben dem latenten Umsatzsteuerausfall wird durch das Unterlassen der Länder- und Bundesregierung den europäischen Händlern und damit der gesamten Wirtschaft ein Milliardenschaden verursacht. Europäische Händler sind nicht in der Lage, ihre Preise an das ›China-Niveau‹ anzupassen, weil sie eben keine Umsatzsteuer hinterziehen!

Nicht gut: Jahresbilanz 2020 des Zollfahndungsamts Hannover

Jedenfalls dann nicht, wenn der geneigte Betrachter Zollvergehen im Kontext des Warenimports an Endverbraucher und des Onlinehandels bewerten möchte. Die Bilanz fällt mau aus. Sehr mau. Und die Zöllner können nichts dafür.

Zölle, Einfuhrabgaben & sonstige Verbote, Beschränkungen

»Die Beamten des Zollfahndungsamts Hannover leiteten im Vorjahr 36 Ermittlungsverfahren ein, bei denen der Verdacht bestand, dass Zölle sowie die Einfuhrumsatzsteuer nicht ordnungsgemäß entrichtet wurden.

In ihren Ermittlungen konnten sie hinterzogene Einfuhrabgaben in Höhe von rund 22 Millionen Euro nachweisen. Besonders hervorzuheben sind hierbei Zuwiderhandlungen im Zusammenhang mit der Einfuhr von Massenwaren aus Fernost«, so die Bilanz.

Und das ist dürftig gemessen an den Abermillionen Sendungen, die jährlich an Händler und Verbraucher aus Drittländern geliefert werden.

»Im Deliktsbereich der Produktpiraterie wurden im vergangenen Jahr 12 Ermittlungsverfahren eingeleitet und rund 3.588 Plagiate – hauptsächlich Zubehörteile für Mobiltelefone – sichergestellt«, gibt die Zollbehörde bekannt.

300 Beschäftige sind einfach zu wenig

»Mit seinen Außenstellen in Bremen, Magdeburg und Bielefeld und rund 300 Beschäftigten ist das Zollfahndungsamt Hannover für weite Teile Niedersachsens, Sachsen-Anhalts, Bremens und für Teile von Ostwestfalen zuständig. Damit umfasst der Bezirk ein Gebiet von über 60.000 Quadratkilometern«, so das Zollfahndungsamt Hannover.

Eine engmaschige Kontrolle und Ahndung von Vergehen ist dringend notwendig. Das leistet der Zoll gegenwärtig jedoch nur eingeschränkt. Verbraucher haben ein Recht auf sichere und zulässige Produkte und Händler haben ein Recht auf fairen globalen Warenaustausch. Nur kann der Zoll diese Fairness sicherstellen?

Die vollständige Mitteilung könnt ihr hier nachlesen.

Neue Marktüberwachungsverordnung: Dropshippen & Chinahandel zerstört

Das ab 16. Juli 2021 die neue Marktüberwachungsverordnung in Kraft tritt, dürfte nun auch der letzte Händler gemerkt haben. Die bekannten Marktplätze sind eifrig dabei, euch entsprechend darauf hinzuweisen, weil Plattformen und Fulfillment-Dienstleister haften werden, denn die neue Verordnung hat Konsequenzen. Gute und Schlechte!

Was ist zu beachten?

Obwohl es schon heute nicht erlaubt ist, Produkte ohne EU-Adresse hier in Verkehr zu bringen (-> Produktsicherheitsgesetz), ist das ein Punkt, der in der neuen Verordnung nochmals ganz klar geregelt wird. Findige Leser der neuen Verordnung haben Lücken ausgemacht, nämlich, dass diese nur für bestimmte Non-Food-Produkte im harmonisierten Bereich gilt. Das passt augenscheinlich der deutschen Bundesregierung gar nicht, weswegen sie Ende März eine Gesetzesvorschlag an den Bundestag übergeben hat, in dem diese Ausnahmen rausfallen. Sie setzen die neue Marktüberwachungsverordnung kurzerhand auch für nicht-harmonisierte Non-Food-Produkte um! Ob das dann im EU-Kontext rechtens sein wird, bleibt abzuwarten. Erst einmal muss aber damit gearbeitet werden, und das wird Folgen haben..

Zusammengefasst: Es müssen auf allen Waren, die ihr importiert, ein europäischer Ansprechpartner vermerkt sein. Es gibt für vereinzelte Produkte Ausnahmen, z. B. bei Büroklammern. Macht ihr das nicht, haftet ihr und die Plattform bzw. der Fulfilment-Dienstleister. Die überwachende Behörde in Deutschland ist die Bundesnetzagentur.

Drittlandhändler vor Herausforderungen

Für Drittlandhändler ohne eigenen Firmensitz in der EU bedeutet es, dass sie einen Repräsentanten, also einen gesetzlichen Vertreter in der EU benötigen. So etwas stellen z. B. Unternehmen wie productIP.

»Auf jeden Fall werden die Hürden für Händler, die bisher keine EU-Adresse auf den Produkten haben, deutlich höher. Und die Marktplätze haben dafür zu sorgen, dass die Produkte konform und mit EU-Adresse gekennzeichnet sind. Die Behörden werden in der neuen Verordnung auch ermächtigt, Produkte zu vernichten, wenn sie die Anforderungen nicht erfüllen. Schon am Zoll«, so Günter Uhl von productIP

Diese Verordnung macht es also China-Händlern schwerer, ihre Waren in die EU zu verbringen und dort zu verkaufen. Entscheidend über den Erfolg der Verordnung wird sein, inwieweit die Marktüberwachung, Plattformen und Servicedienstleister Ressourcen aufbringen, um Meldungen nachzugehen. Für euch als Händler ist es jedoch die Chance für einen faireren Handel, wenn ihr Verstöße meldet.

Dropshipping ist tot!

Das ist übertrieben, aber der klassische ›Aliexpress‹<-Business-Case wird nicht mehr funktionieren, denn hier fehlt es ganz einfach an der auf dem Produkt aufgebrachten europäischen Adresse. Händler, die sich dieses Modells bedienen, müssen sich auf ein ›Aus‹ oder ein erhebliches Risiko einstellen. Wettbewerber – zumal sie weitgehendst anonym bleiben – werden es nicht unterlassen, Zuwiderhandlungen zur Anzeige zu bringen. Wollt ihr dieses Risiko wirklich tragen?

Amazon & Co.

Viele Plattformen fordern aktuell eine Menge an Dokumenten an. Diese dienen zur Vorbereitung bzw. zur Erfüllung der Normen. Nur mit den Dokumenten alleine ist es nicht getan, auch eure Artikel müssen compliant sein. Ist das nicht der Fall, droht die Vernichtung eurer Waren. Wichtig: Hier ist die Gesetzesvorlage entscheidend, denn sie erweitert die Produktreichweite enorm. Prüft also bitte, ob ihre alle Anforderungen erfüllt. Auch hier kann euch ein Dienstleister wie ProductIP unterstützen.

Unterschätzt das Risiko NICHT! Die Folgen können ASIN-Sperrungen, Produktvernichtungen oder auch ein OWI-Verfahren sein. Das kann eure Existenz kosten. Die Plattformen haften, sodass diese verdammt schnell eure Listings sperren werden. Bitte bedenkt auch das Missbrauchsrisiko. Ein Wettbewerber oder China-Händler kann euch sofort melden.

Missbrauch von Unternehmensidentitäten

China-Händler haben einen großartigen Pragmatismus, Herausforderungen zu lösen. Wir erinnern uns, als die VAT-ID-Pflicht eingeführt worden ist: Nicht wenige Drittlandhändler haben sich einfach VAT-ID ergoogelt und sie für sich genutzt.

»Es werden Einführerinformationen/Vertreterinformationen nach ProdSG missbraucht von Händlern. Dann ist eine XY GmbH Einführer/Vertreter, ohne das zu wissen«, sagt Rechtsanwalt Dr. Jörg Brettschneider voraus.

Und mit solchen kreativen Lösungen ist auch jetzt zu rechnen. Es darf also vermutet werden, dass chinesische Händler Anschriften von echten Repräsentanten oder Unternehmen für sich nutzen werden, um diese auf den Artikeln anzubringen. Hier könnt ihr zum Beispiel auch das Zollsystem nutzen, um euch davor zu schützen.

Zusammenfassung

Auch wenn die Einführung der Verordnung und die Erweiterung der Gesetzesvorlage zunächst mehr bürokratischen Aufwand für euch bedeuten, so macht sie dennoch den Handel fairer. Die Meldemöglichkeiten werden vereinfacht. Plattformen und Fulfiller sitzen als Hafter mit im Boot. Aber am Ende wird die Praxis zeigen, wie erfolgreich diese Maßnahmen sein werden.

Micro-Credentials: Der Händlerführerschein. Er könnte kommen.

Leistungsnachweise für kleine Lerneinheiten, also Micro-Credentials, könnte ein denkbarer Ansatz sein, um eine Qualifikation für Gründer zu schaffen, welche ihr Business starten möchten. Die EU-Kommission fragt nun in einer öffentlichen Onlinekonsultation alle Bürger um Meinung und Idee. Wenn ihr mitmachen möchtet, dann geht es hier entlang!

»In den nächsten zwölf Wochen werden im Rahmen der Konsultation Ideen für eine gemeinsame Definition der Anerkennung von kurzen, gezielten Lernkursen und für die Entwicklung von EU-Standards gesammelt, die Qualität und Transparenz gewährleisten.

In Europa müssen immer mehr Menschen ihre Kenntnisse, Fähigkeiten und Kompetenzen auf den neuesten Stand bringen, um die Lücke zwischen ihrer formalen Ausbildung und den Anforderungen einer sich schnell verändernden Gesellschaft und des Arbeitsmarktes zu schließen. Zudem haben die Lockdown-Maßnahmen in der COVID-19-Pandemie den europäischen Arbeitsmarkt hart getroffen und dafür gesorgt, dass Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre Arbeit verloren haben oder in Kurzarbeit gehen mussten. Micro-Credentials sind in dieser Situation besonders hilfreich, weil sie eine maßgeschneiderte, schnelle und zugängliche Fort-und Weiterbildung ermöglichen. Sie sind ein entscheidender Schritt, um die Ergebnisse dieser Erfahrungen zu zertifizieren und so lebenslanges Lernen zu unterstützen und eine vielfältigere Gruppe von Lernenden zu erreichen.

Micro-Credentials haben das Potenzial, die Bildung inklusiver zu machen, und werden flexible, kurzfristige Lernmöglichkeiten fördern«, so die Kommission.

Die Herausforderung ist die, dass zu viele Gründer, gerade auch im Amazon-Kosmos, den Markt fluten. Angeregt durch die oft fehlerhaften und irreführenden Amazon-Coach-Versprechen, wie zum Beispiel: ›Wie ich mit einem Amazon-FBA-Produkt in einem Jahr über 249.593 € verdient habe!‹. Der Mangel bei den meisten Kursen dieser ›Möchtegernexperten‹ ist, dass sie wenig bis gar kein betriebswirtschaftliches oder kaufmännisches Wissen vermitteln. Sie verkaufen den Traum ›Schnell und einfach reich werden‹. Dieser geht selten bis gar nicht in Erfüllung. Jedenfalls dann, wenn man in diesem Kontext aktiven Steuerberatern glaubt.

»Die meisten FBA-Geschäfte sind nicht erfolgreich. Gerade die Kunden der Kursanbieter verlieren in kurzer Zeit viel Geld und müssen oft aufgeben«, kommentiert ein bekannter Steuerberater.

Natürlich belasten solche Gründer aber auch gestandene Unternehmer, denen das notwendige Basiswissen fehlt, dem Markt und dem Wettbewerb. Ein Beispiel: Viele Onlinehändler sehen als einfachste Reaktion auf ein Krisenszenario die Reduktion ihrer Preise, um damit z. B. mehr Umsatz oder eine bessere Positionierung gegenüber dem Wettbewerb zu erreichen. Das ist falsch!

Das ist nur eines von ganz vielen Beispielen, wo Unternehmer oder Gründer stolpern können. Sie scheitern, weil ihnen grundlegendes Wissen fehlt. Ein Gewerbe anzumelden ist so einfach wie die Anmeldung eines neuen Autos.

Händlerführerschein. Eine Lösung?

Grundsätzlich können da ja zwei Herzen in der Brust schlagen. Keiner mag zu viel Regulierung oder Schutz des Marktes und der Unternehmer bzw. Gründer. Die Frage der Überregulierung lassen wir einmal offen. Betrachten wir die Vorteile einer Micro-Credentials für Gründer oder Unternehmer.

Wissen, auch wenn es zunächst langweilig erscheint, ist wichtig für das eigene Business und für den eigenen Erfolg. Grundlagen können in einzelnen Bausteinen und abschließend mit einem Micro-Credential eine gute Lösung sein.

Ob diese nun als Voraussetzung für eine Gewerbeanmeldung genutzt werden sollten, ist dann eher eine Frage der Regulierung. Jedenfalls können sie eine einfache und qualifizierte Bildungsmöglichkeit für Gründer sein.

Wenn ihr auch eine Meinung zu Micro-Credentials habt, hier könnt ihr sie loswerden. An der richtigen Stelle. Macht also Politik mit.

Die EU will Bitcoin-Gewinne abgreifen

Die große Herausforderung für Finanzbehörden bei realisierten Gewinnen aus Kryptowährungen ist die Anonymität der Trader. Diese macht es den europäischen Steuerämtern schwer, Transaktionen nachzuverfolgen und steuerlich zu bewerten. Es ist leicht, Gewinne zu verschleiern und Assets nicht ordentlich zu erklären. Das hat die EU erkannt und sie versucht, gegenzusteuern. Ob das erfolgreich sein wird, steht in den Sternen.

Der Stein des Anstoßes ist die Beobachtung der EU, dass sie bei ihren Mitgliedssaaten kaum eine Transparenz in der Besteuerung der Transaktionen sieht. Somit sind einer Steuerhinterziehung Tür und Tor geöffnet.

»Nicht umsonst wird gesagt, dass ein Steuerhinterzieher keinen Briefkasten in Panama mehr braucht, sondern nur eine passende Digitalwährung«, so Dr. Eike Fesefeldt in diesem Beitrag auf lto.de.

Wie ist das eigentlich aktuelle mit der Besteuerung von Kryptogewinnen?

Da ist sich die Rechtsprechung noch uneins. Das Finanzgericht Berlin Brandenburg sagt, dass es sich dabei um Veräußerungsgewinne handelt. Das Finanzgericht Nürnberg fragt, ob diese Erträge überhaupt steuerpflichtig relevant sind. Für den Verbraucher bedeutet es, dass er keine Rechtssicherheit hat. Entweder entrichtet er zu viele Steuern oder er wird als Steuerhinterzieher angesehen.

Großes Missbrauchspotential

Tatsächlich finden alle Transaktionen anonymisiert statt. Die Möglichkeit, sie zu verdecken oder Gewinne zu verheimlichen, sind groß und die Hürden niedrig. Für die Ermittlungsbehörden ist es aktuell kaum möglich, erfolgreiche Ermittlungen zu führen. Ursächlich hierfür ist die Technologie, die Dezentralität, das Fehlen eines Transaktionsmittlers und die Einfachheit, Transaktionen im Ausland durchzuführen. Es ist nicht schwer verständlich, dass Kryptowährungen das Ideal zur Verschleierung von Vermögenswerten sind, auch wenn diese in ihrer Bewertung sehr volatil ausfallen können. Die plötzlichen Kurssprünge der Währungen sind ja nicht unerheblich.

Bug erkannt, Bug gefixt?

Bei weitem nicht. Zwar gibt es bereits Task Forces, bestehend auf fünf Staaten (darunter auch Nicht-EU-Länder), doch Ergebnisse hat sie noch nicht geliefert. Die ›Joint Chiefs of Global Tax Enforcement‹ möchte Kräfte bündeln und Strategien entwickeln, um gemeinsame Ermittlungen zu ermöglichen. 2020 hat die EU-Kommission das ›New EU Tax Package‹ vorgestellt. Hier geht es um Steuertransparenz und Instrumente zur Durchsetzung nationaler Vorschriften. Eine stumpfe Waffe, wie es scheint. Zwar werden Meldepflichten diskutiert oder Informationsaustausch um internationale Zusammenarbeiten zu erleichtern, jedoch ist damit das Kernproblem nicht einmal ansatzweise berührt worden: Eine dezentrale, digitale, multinationale und anonyme Werttransaktion.

Gefixt wird dieser Steuer-Bug also noch lange nicht. Er wird illegal handelnden Akteuren noch jahrelang ein bunter und gut riechender Blumenstrauß sein, um ihre Vermögenswerte zu verschieben.

Zum Schluss darf die Frage gestellt werden: Kann eine EU – oder können etliche Nationalstaaten – überhaupt jemals eine schnelle und starke Lösung entwickeln, um solche, möglicherweise auch kriminelle, Geschäfte zu unterbinden? Oder wird es noch Jahrzehnte dauern, bis Werkzeuge zur Verfügung stehen, wenn sie benötigt werden?

Kennt unsere Regierung die ›China Export‹ (CE-)Kennzeichnung?

In einer sogenannten ›Kleinen Anfrage‹ ist die Bundesregierung von mehreren Politikern über ihren Kenntnisstand vom Missbrauch der CE-Kennzeichnung von Produkten befragt worden. Weitere Fragen, die die Regierung beantworten durfte, waren unter anderem, wie sie die Herausforderungen nach China kommuniziere und vor allem, wie sie deutsche Verbraucher schütze. Die Antworten sind dürftig. Erschreckend ist, dass kein Handlungsbedarf erkannt wird.

»Die Kennzeichnung von Waren mit dem CE-Zeichen (Conformité Européenne) ist in diversen EU-Richtlinien geregelt und gilt als ›Reisepass für den Binnenmarkt‹. Dies gilt insbesondere auch für den Import von Produkten aus Drittländern. Die CE-Kennzeichnung soll dem Verbraucher Funktionstüchtigkeit, Qualität, Sicherheit und Umweltschutz garantieren.« Weiter…

Auf die Frage: »Ist der Bundesregierung die Existenz des Zeichens ›China Export‹ (CE) bekannt?«, kam die Antwort: »Der Bundesregierung ist die Existenz des Zeichens ›China Export‹ (CE) nicht bekannt. Ein solches Zeichen existiert im offiziellen chinesischen System der Konformitätsbewertung nicht. Unzulässige CE-Zeichen sowie gefälschte CE-Zertifikate bei chinesischen Exportprodukten sind jedoch ein bekanntes Problem. Dieses wird von deutscher Seite im Dialog mit den zuständigen chinesischen Behörden regelmäßig thematisiert […]«

Wichtig für Handel und Verbraucher ist jedoch ein optimaler Schutz. Gerade an den EU-Außengrenzen und den innerdeutschen Eintrittskanälen scheint es Herausforderungen zu geben. Empirisch festgestellt ist ja, dass gemessen an der Anzahl an Warensendungen nur ein sehr geringer Anteil überhaupt durch den Zoll geprüft wird. Auch hat es den Anschein, dass die Marktüberwachungsbehörde nur mit sehr reduzierten Ressourcen ausgestattet ist.

Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um den Verbraucher und Unternehmer vor Produkten mit der irreführenden Kennzeichnung zu schützen?

»Die nationalen Marktüberwachungsbehörden führen Rechtvorschriften aus und überprüfen im Rahmen ihrer Tätigkeiten stichprobenweise Produkte auf Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen. Meldungen von Verbrauchern und Unternehmen über unsichere oder nichtkonforme Produkte fließen in diese Marktüberwachungsaktivitäten mit ein. […]«

Welche Maßnahmen hat der Zoll ergriffen, um Verbraucher und Unternehmer vor Produkten mit der irreführenden Kennzeichnung zu schützen […]?

»Liegen Informationen über unzulässige CE-Zeichen sowie gefälschte CE-Zertifikate bei chinesischen Exportprodukten vor, werden diese bei Abfertigungen und Kontrollen durch den Zoll berücksichtigt, indem entsprechende Risikohinweise in das elektronische Zollabfertigungssystem eingestellt werden. […]«

Kommentar

Also alles paletti! Es ist nichts zu tun. – So jedenfalls lesen sich die Antworten der Regierung. Dem ist natürlich nicht so, denn seit Jahren nimmt der Warenversand aus Drittländern und besonders China zu. Jedoch sind sämtliche Behörden, welche eine Verbrauchersichert und einen fairen Wettbewerb herstellen sollen, unterbesetzt. Das sollte so nicht sein.

Leidtragende sind Verbraucher, die gefährlichen Produkten ausgesetzt sind, und Händler, die sich keinem fairen Wettbewerb gegenüberstehen sehen.

Eine einfache Frage: Wie vereinen wir digital und lokal?

Trotzdem tun sich verschiedene Interessen sehr schwer damit, eine Richtung und Antwort zu finden. Spätestens seit dem Erfolg großer Plattformen sollte klar sein, dass aus Verbrauchersicht gedacht werden muss. Ob nun Handelsvielfalt als Kulturgut gesehen und gedacht werden kann, darf offenbleiben. Mit einem Schmunzeln.

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Jedenfalls diskutieren genau hierüber am Mittwoch den 21. April zwischen 13 und 14 Uhr 30 der HDE, eBay, Vertreter der Stadt Lübeck, der IFH und das BMWi in einem Livestream. Wer mit dabei sein möchte, kann sich hier anmelden. Das wird eine Kuschelrunde werden. Oder aber auch nicht?

Aus Händlersicht macht es viel Sinn dabei zu sein, die verschiedenen Positionen zu hören und vor allem zu verstehen. Auch, wenn es sehr skurril klingt, dass wir 2021 über Handelsvielfalt und Verbindung von lokalem und digitalem Handel reden, so ist es wichtig, dass wir auch eine andere Perspektive erläutert bekommen.

Kulturgut Handelsvielfalt – Wie vereinen wir digital und lokal?

Wie wir digital und lokal im Handel vereinen, und dabei die Vielfalt des Handels als kulturelle Errungenschaft retten können – darüber diskutiert am 21. April eine Runde von Vertreter*innen aus Verbänden, Unternehmen, der Politik und der Wissenschaft:

Im Anschluss an eine Eröffnungskeynote des Bundeswirtschaftsministers Peter Altmaier sprechen Boris Hedde (IFH Köln), Dr. Kirstin Pukall (BMWi), Stephan Tromp (HDE), Olivia Kempke (Lübeck Management) und Oliver Klinck (eBay) lösungsorientiert über Modelle für die Zukunft des Handels.

Der digitale Roundtable wird moderiert von dem freien Journalisten (u.a. Handelsblatt) Maximilian Nowroth.

Nutzt die Chance und hört der Diskussion zu. DAS ist auch Politik! Und behaltet auch einmal im Hinterkopf, welche Lanze eBay und der IFH für euch Händler brechen!

Liebherr vs. Bundeskartellamt – Eine Entscheidung gegen Vertriebsverbote

Selektive Vertriebssysteme oder -beschränkungen finden weder die EU noch das Bundeskartellamt gut. Das hat die Behörde in einem aktuellen Verfahren Liebherr-Haushaltsgeräte klargemacht. Für Onlinehändler bedeutet diese Entscheidung eine Stärkung ihrer Position. Die Liebherr-Hausgeräte Vertriebs- und Service GmbH musste aufgrund der Entscheidung ihr Vertriebsmodell ändern, um Onlinehändler gleichzustellen.

Was war passiert?

Liebherr überarbeitete zum Beginn des Jahres seine Handelsverträge. Sie enthielten Klauseln, die reine Onlinehändler aber auch Multi-Channel-Seller stark benachteiligten. Betroffene Liebherr B2B-Kunden beschwerten sich beim Bundeskartellamt. Dieses leitete ein Verfahren ein, welches nun zum Ende gekommen ist. Das Ergebnis: Liebherr hat eine Reihe von Anforderungen für Händler im Onlinevertrieb, die zu Beginn des Jahres eingeführt worden waren, gelockert.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes dazu: »Markenhersteller wie Liebherr haben die Möglichkeit, Qualitätsanforderungen für den Vertrieb ihrer Waren aufzustellen. Bei Liebherr haben wir nach Beschwerden aus dem Markt allerdings festgestellt, dass im Onlinevertrieb teilweise deutlich strengere Anforderungen als im stationären Handel gelten, um als Händler in den Genuss von Rabatten zu kommen. Händler, die auf beiden Vertriebsschienen aktiv sind und die strengen Onlinevorgaben nicht erfüllen, laufen dabei Gefahr, den Rabatt auch im stationären Bereich einzubüßen. Solche Klauseln können dazu führen, dass die Attraktivität des Onlineverkaufs erheblich leidet oder manche Händler ihn sogar einstellen. Das ist kartellrechtlich nicht akzeptabel. Auf unsere Intervention hin hat Liebherr die in Rede stehenden Kriterien angeglichen und flexibler gestaltet. Die Verbraucherinnen und Verbraucher können somit auch in Zukunft von aktivem Preiswettbewerb zwischen den Händlern profitieren und zwar online und offline

Im Detail

Die Liebherr-Produkte werden überwiegend in einem sogenannten selektiven Vertriebssystem über autorisierte Händler verkauft. Anfang 2021 hat der Hersteller einen neuen Vertriebsvertrag und im Zuge dessen auch den Liebherr-Performance-Rabatt eingeführt. Auf Beschwerden aus dem Markt hin hat das Bundeskartellamt die Leistungsanforderungen, die ein Händler für den Erhalt von Rabatten erbringen muss, untersucht: Nach den Ermittlungen galten teilweise deutlich strengere Kriterien für den Onlinevertrieb im Vergleich zum stationären Verkauf. Dazu zählten Anforderungen an den Onlineshop, wie die Erreichbarkeit von Personal an Sonn- und Feiertagen zwischen 9 und 20 Uhr, die Lieferfrist für bestellte, nicht beim Händler vorrätige Ware sowie das Angebot bestimmter Zahlungsarten. Diese Regelungen benachteiligten nach vorläufiger Auffassung des Bundeskartellamtes neben reinen Onlinehändlern insbesondere auch Händler, die sowohl ein Ladenlokal als auch einen Onlineshop betreiben. Für diese galt, dass für den Erhalt des jeweiligen Rabattsatzes sämtliche Voraussetzungen – sowohl online als auch offline – erfüllt werden mussten.

Für betroffene Händler hat der Onlinehandel also Nachteile und macht ihn gegenüber dem stationären Handel unattraktiv. Diese Diskriminierung wird Liebherr nun beseitigen, indem das Unternehmen die Leistungskriterien anpassen wird.

Handelsbeschränkungen. Ein Ärgernis.

Von selektiven Vertriebssystemen sind alle Händler von Markenwaren betroffen. Viele indirekt, die größeren jedoch direkt, wenn sie von den jeweiligen Herstellern beziehen. Seit Jahren kämpft der Bundesverband Onlinehandel (BVOH e.V.) mit seiner Initiative >choice in commerce< an dieser Front. Sie war ursprünglich auf Drängen eines Mitglieds aus dem Bad- und Sanitärbereich ins Leben gerufen worden. Die Früchte können nun viele Händler ernten, da sowohl die EU als auch unser Bundeskartellamt in den vergangenen Jahren Handelseinschränkungen deutlich kritischer betrachtet.

Leider wird in diesem Zusammenhang oft die Verbraucherperspektive vergessen. Handelsverbote im Onlinehandel wirken direkt auf die Auswahl und Möglichkeiten für private Verbraucher. Selektive Vertriebssysteme schränken die Produktauswahl online ein und benachteiligen somit auch Endkunden in ihren Möglichkeiten, dort einzukaufen, wo sie gerade möchten.

Allerdings hat Liebherrs Vertrag auch deutlich gemacht, dass der Onlinehandel nicht immer auf der besseren und vor allem einfacheren Seite des Handels steht. Worum ging es denn hier? Das Unternehmen möchte, dass Onlinehändler durch verlängerte Servicezeiten für Kunden erreichbar bleiben. DAS hat Liebherr also verstanden. Viele Onlinehändler leider noch nicht, denn ihr Kundenservice orientiert sich bei Weitem nicht an den Stufen der Big-Player im Markt. Natürlich ist das eine Herausforderung, die sich reine stationäre Händler nicht stellen müssen.

Kommentar

Die Entscheidung der Behörde hinterlässt ambivalente Gefühle. Auf der einen Seite sind Handelsbeschränkungen, gleich welcher Art, nicht gut. Auf der anderen Seite müssen, sollen, könnten, ›es wäre schön, wenn‹, Onlinehändler einen anderen Service Level erklimmen. Vielen Sellern ist das fremd. Das ist aber falsch. Daher ist es zu begrüßen, dass eine Marke versucht, diese #händlerausderhölle zu erziehen. Markenimage ist nun mal stark mit dem Vertriebskanal und dem Einkaufserlebnis verknüpft.

Fazit: Eine gute Entscheidung … in einer falschen Sache.

Ever Given Havarie: Das bringt das Logistikfass im Onlinehandel zum Überlaufen

Lasst uns einmal die internationale Logistiksituation der vergangenen 12 Monate betrachten. Was ist passiert? Was sind die Konsequenzen der Entwicklungen für den Onlinehandel? Und vor allem, warum wird die›Ever Given‹-Havarie nun das Fass zum Überlaufen bringen?

Es fing alles mit dem China-Lockdown in 2020 an

Vorausschauende Unternehmer haben eine Verknappung der Ware bereits zum Ende 2019 vorausgesehen. Anfang 2020 war es dann auch für jeden sichtbar. Das Jahr wird schwer. Logistik und Warenverfügbarkeit herzustellen geriert zur größten Herausforderung, wurde bereits von vielen Händlern kolportiert.

»Wir denken, dass wir ab Ostern wieder alles in Griff haben werden. Länger rechnen wir mit keinen Einschränkungen«, so ein Händler aus der Frankfurter Gruppe mit zweistelligem Millionenumsatz.

Es kam anders und es traf ein, was im Laufe des Jahres klarer wurde. Zwar profitiert der Onlinehandel von der pandemischen Situation, aber die Waren werden knapp. Bereits im August klagte ein Händler, der CE-Elektronik handelt: »Wir könnten viel mehr handeln, wenn wir doch bloß Ware hätten. Nicht, dass wir dieses Jahr sogar mit schlechteren Umsätzen als 2019 abschließen«. Und im Weihnachtsgeschäft spitze sich dann die Situation erstmals zu, gleicher Händler klagte: »Gut war das Geschäft nicht. Wir waren mit zu vielen Produkten aus und im CE-Geschäft haben wir eh keine guten Marge.« Das waren die Worte des Unternehmens, welches knapp unter 100 Millionen Euro Umsatz pro Jahr macht.

(Quelle: Statista | Containerumschlag Rotterdam)

Ein rheinländischer Onlinehändler der Kategorie ›Home & Living‹, der im dreistelligen Millionenumfang handelt, berichtete: »Wir haben die Preise einfach verdoppelt. Dadurch haben wir zwar weniger verkauft, aber es hat gereicht, um auf unser Jahresergebnis noch einmal 1,4 Millionen on top draufzupacken.

Was war passiert?

Das Logistikräderwerk war aus dem Tritt geraten. Es dauerte Monate, bis überhaupt wieder Container und Frachtraum halbwegs verfügbar waren. Die Fabriken fingen erst spät nach dem Chinese New Year 2020 an zu fertigen. Zuvor stauten sich aber bereits die Container vor den chinesischen Häfen. Diese mussten entladen werden. Ware zur Neubeladung war aber noch nicht sofort verfügbar und auch die inländischen Transportkapazitäten, also die Lkw, waren ausgeschöpft.

»In den ersten sechs Monaten des Jahres 2020 erzielte der Hafen von Rotterdam einen Umschlag von 218,9 Millionen Tonnen. Das ist 9,1 % weniger als in der ersten Hälfte des Jahres 2019, der damals ein Rekordumschlag war«, so der Halbjahresbericht des Port of Rotterdam.

Nun gingen die ersten Container auf den Seeweg und schlugen dann auch nahezu gleichzeitig bei den jeweiligen Destinationen auf. Und hier wiederholen sich dann die Ereignisse. Stau im Hafen und bei der Weiterverfrachtung. In einigen US-Häfen lagen Schiffe bis zu 5 Wochen, um gelöscht zu werden. Lkw oder Plätze auf Zügen waren Mangelware.

(Quelle: Port Hamburg )

Diese weltweite Angespanntheit hat sich immer noch nicht aufgelöst. Sie hatte natürlich dramatische Auswirkungen auf die Frachtpreise, die in 2020 teilweise ihr 10-Jahres-Hoch erreichten. Die Containerpreise stiegen bis auf über 7.000 € an, so berichteten Händler.

2020: Frachtraum knapp = Frachtpreise nach oben

Da lohnte es sich, selbst Passagiermaschinen als Frachtmaschinen umzurüsten, um die in Übersee wartenden Waren zu verschicken. Nicht zu vergessen ist ja auch die zusätzliche Verknappung von Frachtraum, weil Passagierflüge weltweit nahezu zum Erliegen gekommen sind. Diese enormen und unerwarteten Einschränkungen führte zu einer Preisexplosion aller Frachtwege, Schiff, Zug und Flugzeug. Ende 2020 war es zeitweise egal, welcher Preis aufgerufen worden ist, es kam drauf an, dass überhaupt Platz gekauft werden konnte.

 

Mit KW-Commerce-Gründer und Geschäftsführer Jens Wasel sprach Wortfilter bereits 2020. »Ich erwarte auch 2021 keine Entspannung der Frachtpreise. Wir müssen alle damit rechnen, dass diese vielleicht sogar noch einmal steigen werden«, so Jens Wasel Ende letzten Jahres.

Michael Meyer von der Fracht Makler Agentur Mega-Log GmbH aus Hamburg beschrieb die Situation bereits im November 2020 sehr ausführlich:

Zunächst mal beobachte ich die Preissteigerungen seit ca. 2002; seitdem ich im China-Geschäft bin.

Seefracht/Container: Immer wieder, ab ca. Ende Oktober, Anfang November sind diese saisonalen Preissprünge zu verzeichnen. Und zwar immer dann, wenn die Nachfragen nach Containerplatz auf den Schiffen massiv zunehmen. Dies ist im Moment die Frage nach Weihnachtsartikel. (CNY spielt jetzt noch keine Rolle.)

Aber wir müssen hier ein bisschen weiterdenken. Natürlich nutzt der Reeder die Situation aus und verknappt das Angebot einhergehend mit der Vielzahl von Nachfragen. Hier ist es wichtig, dass der Kunde erstens den Preis im Blick hat und zweitens die Abfahrtszeit/-frequenz.

Also, der Kunde bekommt einen tollen Preis, weiß aber nicht, dass sein Container evtl. 60 Tage auf der Reise ist. D .h.: Evtl. wird der Container nochmal umgeschlagen (Busan für Container aus Qingdao/Xingang z. B. oder in Singapore für Container aus Shanghai/Ningbo/Yantian etc.). D. h.: Neben dem Preis sollte der Kunde auch die Reisezeit im Blick haben.

Durch meine Praxis kann ich sagen, dass gerne mal Container in Busan/Singapore umgeschlagen werden oder gerollt (auf nächste/übernächste Abfahrten geschoben) werden. Da kommen schnell mal 60 Tage Terminal-to-Terminal zusammen. Da hat der Logistiker – und sei er noch so groß – keine Change, sein Veto einzulegen. Ergebnis: Immer eine direkte Abfahrt anfragen!

Aber ich beobachte seit 2002 auch immer wieder, dass der Preis in relativ kurzer Zeit hochsteigt, aber innerhalb von Tagen wieder auf das normale Maß zurücksinkt. Und zwar dann, wenn die Reeder die (Preis-) Uhr überdreht haben. Eine weitere unübersichtliche Situation ist, dass die Nachfrage nach Containern in Europa steigt, es aber eine leichte Ungleichheit der Containerverteilung gibt. D. h.: Europa hat nicht so viel Exporte wie gewünscht, die Nachfrage nach Importwaren in Europa ist aber sehr hoch. Wenn man so will, die Container liegen alle in Europa ›herum‹ und können nicht ›gedreht‹ werden.

Ein kleiner Ausblick (Kristallkugel) aus meiner Container-Sicht: Die Preise könnten ab KW 50 bzw. ab 14.12. ein wenig zurückgehen. Die Feiertage stehen vor der Tür, die großen Firmen haben Werksferien, die Nachfrage sinkt. Aber nicht vergessen, es gibt auch die ›blank sailings‹, die Reeder nehmen Schiffe aus dem Markt, um die Nachfrage hoch zu halten.

Ab Mitte/Ende Januar wird m. E. wieder die Preisschraube nach oben gedreht. Warum? Am 12.2.2021 ist das chinesische Neujahr. Hier heißt es, ab 11.2 stehen bei fast sämtlichen Produktionsfirmen die Bänder still, und zwar bis mindestens 18.2, eher der 20. Februar. Das ist zwar ein Samstag, aber hier könnte das Wochenende gearbeitet werden. Zu dem Wochenende hält sich die Regierung noch bedeckt und wird -wie immer- kurzfristig gelauncht. Bis alles wieder normal läuft (Mitarbeiter, die nicht zurückgekommen sind, neues Personal angelernt etc.), ist der 24/25.2. Das variiert hier aber nach Produktionsstandorten natürlich.

Seefracht/Stückgut/LCL: Auch ein sehr großer Markt und er ist abhängig von den Einkäufen der Container. D.h.: Hier gibt es zumindest Preissteigerungen (peak seaon surchages = PSS) von 10,00 Euro – 50,00 USD pro cbm im Markt, und zwar seit letzter Woche von allen NVOCC´s (non vessel operating common carrier), also Reeder ohne eigene Schiffe, mindestens bis 15.12 annonciert. Hier ist die Abfahrt nicht so schwierig, ein ›Plätzchen gibt es immer irgendwo‹. Hier habe ich persönlich z. B. für nächste und übernächste Woche bei Abfahrten kein Problem, also aus heutiger Sicht. Ich habe Kunden schon angeraten, auf FCL-Ladung zu verzichten und aus dem vollen/dreiviertel vollen Container eine Stückgutsendung mit Augenmaß zu machen.

Zugfracht/FCL und Stückgut: Hier werden momentan aus meiner Sicht Spitzenpreise von 7000 USD für den 40-Fuß-Container und mehr im Markt von China nach Europa angeboten. Auch hier ist die Nachfrage sehr hoch. Eine weitere Situation ist, dass die chinesische Regierung massiv Chassis (da stehen die Container drauf) beschlagnahmt, um Truppenabzüge/Equipment an der chinesisch-indischen Grenze zu organisieren. Das habe ich aber aus 2. Hand. Bei FCL/LCL kann es außerdem zu Verspätungen auf der Strecke nach DE kommen. Das sind angeblich die Herbststürme im weiten Westen von China und die sogenannten ›Bottlenecks‹ aus Belarus nach Polen. Sowohl in China, als auch in Europa müssen die Waggons auf die 1520-mm-Spurbreite, der ›russischen‹ Spurbreite, umgespurt werden. Sowohl China als auch die meisten europäischen Länder haben ja 1345-mm-Spurbreite. Noch zu bauende oder gar fehlende Infrastruktur tun ihr übriges.

Übrigens, die Transitzeiten von Terminal-to-Terminal von 18-20 Tagen können in den seltensten Fällen gehalten werden.

Luftracht: Hier gebe ich keine Tendenz ab. Ich weiß noch, dass der Luftfrachtpreis sehr volatil ist und sich beinahe täglich ändert und meistens eine Gültigkeit zum Ende der Woche hat. Aber ob man dann Platz auf dem gebuchten Flugzeug bekommt, ist manchmal fraglich. Wartezeiten des finalen Abflugs zwischen 5-7 Tagen sind möglich.

Herzlichen Dank an Michael Meyer für die sehr ausführliche Beschreibung der Situation. Die Stellungnahme wurde Ende November 2020 abgegeben.

Die Ever Given bringt nun das Fass zum überlaufen

Und genau in diesem Kontext, also der noch nicht entspannten Situation, ist nun die Havarie der Ever Given zu sehen. Um die 400 Schiffe waren gut 14 Tage blockiert und stauten sich. Zwar ist zunächst nicht der Welthandel betroffen, sondern ›nur‹ die europäische Warenzufuhr. Aber das reicht bereits. Was passiert aktuell? Nachdem sich die Schiffe nun im Kanal gestaut hatten, liefern sie sich jetzt ein Wettrennen. Wer ist zuerst im Hafen, wer bekommt zuerst Platz und wer wird zuerst gelöscht?

(Quelle: Traffic April 2021 vesselfinder.com)

Aus Händlerperspektive bedeutet die Situation nicht nur eine weitere Verzögerung, sondern auch eine deutliche, zusätzliche und überraschende Erhöhung der Kosten. Denn auch der nachgelagerte Frachtraum wird knapp. Nachdem die Container gelöscht worden sind, müssen sie ja noch zu euch. Via Lkw oder mit einem Zug. Aktuell ist aber auch dieser Frachtraum nur eingeschränkt verfügbar. Teilweise treten Wartezeiten von bis zu 10 Tagen auf. Und diese produzieren nicht unerhebliche Lagerkosten. 50 Euro pro Tag und Container sind keine Seltenheit.

Das Sommergeschäft ist gelaufen?

Es wird zu erwarten sein, dass die Preise steigen [müssen], jedenfalls dann, wenn ihr nicht ›out of stock‹ laufen wollt. Was aber für viele Händler schlimm sein dürfte, ist, dass das Lager leerläuft. Aber auch, dass jetzt Sommerware im Anmarsch ist. Damit besteht das Risiko, dass ihr diese Saison verpasst.

Das könnte tatsächlich eintreten, denn nicht jeder von euch war in der Lage, sich auf die anhaltend angespannte Situation einzustellen. Zu wenig Cash, zu kurzfristig geplant, zu kleine Bestellmengen und dann damit verbundene längere Lieferzeiten können die Ursachen sein.

Und das Learning?

Ein Plan B sollte jeder von euch in der Schublade haben. Im vergangenen Jahr sagte ein großer Berliner Händler auf Wortfilter: »Es ist nicht einfach, neue Lieferanten aufzutun. Alleine der Lieferantenauswahlprozess dauert meistens Monate. Wir hoffen, dass unser Lager in China ausreichen wird.«

(Traffic Oktober 2020)

Das ist kein Plan B und es ist gefährlich. Ab einer gewissen Größe lassen sich eben nicht einfach Prozesse runterfahren und damit Kosten einsparen. Der Abriss der Lieferkette kann euch ›in Teufels Küche‹ bringen. Eine Lösung kann sein, dass ihr immer einen weiteren europäischen Lieferanten in petto habt. Diesen bedient ihr zwar mit geringeren Aufträgen, habt aber Zugriff auf seine Ressourcen. Eine weitere Strategie kann ein angepasstes Produkt-Portfolio sein, das euch hilft, Mangelfolgen auszugleichen.

(Traffic April 2021)

Am Ende des Tages solltet ihr alle – für euch aktuell und die Zukunft – einen ordentlichen Plan B in der Schublade haben. Dieser wird individuell sein. Ein Patentrezept gibt es nicht.

Und die Politik?

Da gab es sehr spannende Anregungen aus dem Verbandsumfeld zu hören. Der Präsident eines großen Onlinehandelsverband regte an, dass sich die EU um Produktionsstandorte in Nordafrika kümmern solle. Hier wären die ›Plätze‹ noch nicht durch die übermächtige chinesische Omnipräsenz wie in Mittel- und Südafrika besetzt. Mit Investitions- und Aufbauhilfen seien so Alternativen zu Produktionsflächen in Asien zu schaffen.

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Dem ist allerdings zu erwidern, dass China mit einem gewissen Pragmatismus Herausforderungen löst. Solche Werkzeuge stehen der Europäischen Union [zum Glück] nicht in diesem Maße zur Verfügung.

Das Fass und der Tropfen

Welche Auswirkungen der Zwischenfall im Suezkanal tatsächlich haben wird, zeigt sich in den kommenden Wochen und Monaten. Wir werden alle Händlerstimmen lesen können. Ob das Desaster so stark sein wird, dass wir es zum Beispiel in den Verbraucherpreis-Indizes erkennen, wissen wir noch nicht. Bisweilen haben sich die pandemischen Einflüsse in Grenzen gehalten und unsere Wirtschaft hat sich sehr resilient gezeigt.

Exklusiv: Onlinehandelssteuer über neuen Mehrwertsteuersatz von 21%

Ähnlich wie die temporäre Umsatzsteuersenkung beschlossen worden war, soll laut Steuerexperte Roger Gothmann nun auch die Onlinesteuer bereits gemachte Sache sein. Es soll ein neuer Umsatzsteuersatz eingeführt werden, so ein Beschlusspapier das Wortfilter zugespielt worden ist. Dieser soll bei 21% liegen. Damit möchte die Regierung eine Steuergerechtigkeit wiederherstellen.

Politiker verschiedener Parteien sahen den Onlinehandel im Kontext der Pandemie stark bevorteilt. So gab Grünen-Chef Habeck zum Besten: »Die lokalen Geschäfte schließen zum Pandemieschutz, Innenstädte drohen auszusterben« und weiter »Die großen Onlinehändler dagegen machen das Geschäft des Jahrhunderts.«. Die CDU schlug in einem Papier bereits vergangenes Jahr vor, dass sich die Abgabe nach dem Bestellwert der Warensendung richten soll.

Daraus geworden ist ein eigener Umsatzsteuersatz für den Fernhandel in Höhe von 21%. Laut Finanzministerium soll der neue Satz nur für größere Händler ab einem Onlineumsatzvolumen von 3 Millionen Euro gelten. Zunächst soll er wie die ganze normale Umsatzsteuer gemeldet werden. Im Jahresverlauf ist jedoch geplant, dass die Plattformen diese neue Abgabe direkt bei den Händlern einziehen. Umsätze welche außerhalb von Marktplätzen generiert werden müssen nach wie vor vom Händler selbst gemeldet werden.

Und es soll noch eine Ausnahme geben. Händler, die keine Neuware verkaufen, sind von dieser Regelung ausgenommen. Sie täten ja einiges für die Nachhaltigkeit. Das solle nun nicht bestraft werden, so war es aus mit der Sache vertrauten Kreisen des Finanzministeriums zu hören.

Besonders ärgerlich scheint die Auffassung des Finanzministeriums zu sein, dass die Händler gerade ihre Konten prall gefüllt haben. Das neue Gesetz soll – sobald es durch die Gremien und beschlossen ist – rückwirkend ab dem 1. April 2021 gelten. Die bis dahin angefallene Differenz zu den bereits gemeldeten Umsatzsteuern sollen die Händler dann innerhalb von 6 Monaten nachzahlen.

Kommentar: Hier hat wieder einmal der gesamte Lobbyismus für den Fernhandel versagt. Kein Verband, keine Experten oder Gutachter wurden hier in den Entscheidungsprozess einbezogen. Und nun haben wir den Schaden und vor allen den Wettbewerbsnachteil. Und wer jetzt noch nicht davon überzeugt ist, dass Lobbyismus eine bedingungslos gute Sache ist, und wer jetzt nicht sofort z. B. dem BVOH e.V. beitritt, dem ist nicht mehr zu helfen!

EU-Kommission eröffnet Verfahren gegen Amazon zu Datenmissbrauch und Buy-Box

Heute hat die EU-Kommission erklärt, dass ein Verfahren gegen Amazon eröffnet wird. Im wesentlichen werden zwei Themen genauer betrachtet:

  1. Missbräuchliche Nutzung von Daten der Händler, die über Amazon verkaufen
  2. Missbräuchliche Entscheidung sowie wettbewerbsrechtliche Bedenken bei der Auswahl für die Buy-Box

Oliver Prothmann, Präsident BVOH meint dazu:

“Es ist richtig, dass die EU-Kommission sich das Verhalten von Amazon bei der Datennutzung und der Vergabe der Buy-Box anschaut. Immer mehr Händler melden uns, dass Amazon auf Basis der Daten, die die Händler auf Amazon erzeugen, selber nutzt. Des weiteren fordert Amazon von den Händler immer häufiger Informationen über Lieferanten ein. Damit hat Amazon den direkten Zugang, um das Produkten selbst zu sourcen. Laut den Aussagen der Händler muss ich davon ausgehen, dass Amazon die Marktbeherrschung für das eigene Geschäft ausnutzt.”

Original Wortlaut der Pressemitteilung der EU-Kommission:

Kartellrecht: Kommission richtet Mitteilung der Beschwerdepunkte an Amazon wegen Nutzung nichtöffentlicher Daten unabhängiger Verkäufer und leitet zweite Untersuchung der E-Commerce-Geschäftspraxis des Unternehmens ein

Brüssel, 10. November 2020
Die Europäische Kommission hat Amazon von ihrer vorläufigen Auffassung in Kenntnis gesetzt, dass das Unternehmen durch Verfälschung des Wettbewerbs auf Online-Einzelhandelsmärkten gegen die EU-Kartellvorschriften verstößt. Die Kommission wirft Amazon vor, nichtöffentliche Geschäftsdaten von unabhängigen Händlern, die über den Amazon-Marktplatz verkaufen, systematisch für das eigene, in unmittelbarem Wettbewerb mit diesen Händlern stehende Einzelhandelsgeschäft zu nutzen.

Ferner hat die Kommission ein zweites förmliches Kartellverfahren eingeleitet, um zu prüfen, ob Amazon eigene Angebote und Angebote von Verkäufern, die die Logistik- und Versanddienste von Amazon nutzen, bevorzugt behandelt.

Die für Wettbewerbspolitik zuständige Exekutiv-Vizepräsidentin der Kommission Margrethe Vestager erklärte dazu:

„Wir müssen verhindern, dass Plattformen mit Marktmacht, die auch selbst über die Plattform verkaufen, wie etwa Amazon, den Wettbewerb verzerren. Daten über die Tätigkeit unabhängiger Verkäufer sollten von Amazon nicht zum eigenen Vorteil genutzt werden, wenn das Unternehmen mit diesen Verkäufern konkurriert. Die Wettbewerbsbedingungen auf der Amazon- Plattform müssen fair sein. Die Regeln sollten nicht künstlich die eigenen Angebote von Amazon oder die Angebote von Verkäufern, die die Logistik- und Versanddienste von Amazon nutzen,
begünstigen. Der elektronische Handel boomt und Amazon ist die führende Plattform in diesem Bereich. Deshalb ist ein fairer Zugang zu Online-Kunden ohne Verzerrung des Wettbewerbs für alle Verbraucher wichtig.“

Mitteilung der Beschwerdepunkte zur Nutzung von Marktplatz-Verkäuferdaten durch Amazon

Amazon hat als Plattform eine doppelte Funktion: Zum einen stellt das Unternehmen einen Online- Marktplatz zur Verfügung, über den unabhängige Händler ihre Produkte direkt an Verbraucher verkaufen können, und zum anderen tritt das Unternehmen auf diesem Marktplatz selbst als konkurrierender Einzelhändler auf.
Amazon hat als Marktplatz-Dienstleister Zugang zu nichtöffentlichen Geschäftsdaten unabhängiger Verkäufer, wie z. B. der Zahl der bestellten und ausgelieferten Produkte, den von den Verkäufern über den Marktplatz erzielten Einnahmen, der Anzahl der Aufrufe von Angeboten der Verkäufer, den Versanddaten, der bisherigen Aktivität der Verkäufer und den geltend gemachten Verbraucherrechten für Produkte (z. B. in Anspruch genommene Garantien).

Bisherige Ergebnisse der Kommission zeigen, dass den Mitarbeitern des Einzelhandelsgeschäfts von Amazon sehr große Mengen nichtöffentlicher Verkäuferdaten zur Verfügung stehen, die direkt in die automatisierten Systeme des Geschäfts fließen, wo sie aggregiert und genutzt werden, um Endkundenangebote und strategische Geschäftsentscheidungen von Amazon auszutarieren – zum Nachteil der anderen Verkäufer auf dem Marktplatz. Amazon kann so beispielsweise seine Angebote auf diejenigen Produkte einer Kategorie konzentrieren, die sich am besten verkaufen, und seine Angebote auf der Grundlage nichtöffentlicher Daten konkurrierender Verkäufer ggf. anpassen.

Die Kommission vertritt in ihrer Mitteilung der Beschwerdepunkte vorläufig die Auffassung, dass Amazon durch Nutzung nichtöffentlicher Verkäuferdaten die normalen mit dem Wettbewerb im Einzelhandel verbundenen Geschäftsrisiken vermeiden und seine beherrschende Stellung im Bereich der Marktplatz-Dienste in Frankreich und Deutschland, den größten Märkten für Amazon in der EU, ausweiten kann. Bestätigt sich dieses Vorgehen, läge ein Verstoß gegen Artikel 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) vor, nach dem der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung verboten ist.

Die Mitteilung der Beschwerdepunkte greift dem Ergebnis des jeweiligen Verfahrens nicht vor.

Untersuchung der Amazon-Geschäftspraxis zum Einkaufswagen-Feld und zu „Prime“

Ferner hat die Kommission eine zweite kartellrechtliche Untersuchung zur Geschäftspraxis von Amazon eingeleitet, da sie Bedenken hat, dass das Unternehmen die eigenen Einzelhandelsangebote und die Angebote von Marktplatz-Verkäufern, die die Logistik- und Zustellungsdienste von Amazon nutzen („Versand-durch-Amazon“), bevorzugt behandelt.
Die Kommission wird insbesondere prüfen, ob die Kriterien, nach denen Amazon das Einkaufswagen- Feld vergibt und es Verkäufern ermöglicht, Prime-Kunden zu beliefern („Prime durch Verkäufer“), zu einer Vorzugsbehandlung der Angebote von Amazon oder der Angebote von Verkäufern, die die Logistik- und Versanddienste von Amazon nutzen, führen.

Für Verkäufer ist die Zuweisung dieses Felds (d. h. die Anzeige ihres Angebots in dem Feld) von entscheidender Bedeutung, da dort nur das Angebot des jeweiligen Verkäufers für ein gewähltes Produkt erscheint und der überwiegende Teil aller Verkäufe über dieses Feld generiert wird. Ferner bezieht sich die Untersuchung auf die Möglichkeit von Marktplatz-Verkäufern, Prime-Kunden wirksam zu erreichen. Da die Zahl der Prime-Nutzer ständig zunimmt und Prime-Kunden in der Regel mehr Produkte über Amazon bestellen als andere Kunden, ist es für die Verkäufer wichtig, sie mit ihren Angeboten zu erreichen.

Sollten sich die Bedenken der Kommission bestätigen, würde ein Verstoß gegen Artikel 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) vorliegen, nach dem der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung verboten ist.

Hintergrund und Verfahren

Artikel 102 AEUV verbietet die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung. Wie diese Bestimmungen umzusetzen sind, ist in der EU Kartellverordnung (Verordnung Nr. 1/2003 des Rates) festgelegt, die auch von den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten angewendet werden kann.

Am 17. Juli 2019 leitete die Kommission eine eingehende Untersuchung der Nutzung von Daten der Marktplatz-Verkäufer durch Amazon ein.

Die Mitteilung der Beschwerdepunkte ist ein förmlicher Schritt bei Untersuchungen der Kommission im Falle mutmaßlicher Verstöße gegen die EU-Kartellvorschriften. In einer solchen Mitteilung setzt sie die Parteien schriftlich über die gegen sie vorliegenden Beschwerdepunkte in Kenntnis. Die Unternehmen können dann die Untersuchungsakte der Kommission einsehen, sich schriftlich dazu äußern und eine mündliche Anhörung beantragen, in der sie gegenüber Vertretern der Kommission und der nationalen Wettbewerbsbehörden zu der Sache Stellung nehmen. Weder eine Mitteilung der Beschwerdepunkte noch ein förmliches Kartellverfahren greifen dem Untersuchungsergebnis vor.

Weitere Informationen können auf der Website der Generaldirektion Wettbewerb über das öffentlich zugängliche Register unter der Nummer AT.40462 eingesehen werden.
Die Kommission hat Amazon und den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten mitgeteilt, dass sie eine zweite eingehende Untersuchung der Geschäftspraxis von Amazon eingeleitet hat.
Räumlich erstreckt sich das Verfahren auf den Europäischen Wirtschaftsraum mit Ausnahme Italiens. Die italienische Wettbewerbsbehörde hat bereits im vergangenen Jahr begonnen, ähnliche Bedenken mit besonderem Schwerpunkt auf dem italienischen Markt zu prüfen. Die Kommission wird die enge Zusammenarbeit mit der italienischen Wettbewerbsbehörde während der gesamten Untersuchung fortsetzen.

UPDATE 11.11.2020

Wir haben von Amazon ungefragt eine Stellungnahme zu unserer Berichterstattung erhalten, mit der Bitte diese zu veröffentlichen. Dies ist einmalig in der Zusammenarbeit mit Amazon und wir kommen der Bitte gerne nach.

Eine Amazon Sprecherin:
“Wir stimmen mit den vorläufigen Annahmen der Europäischen Kommission nicht überein und werden auch weiterhin unser Möglichstes tun, um sicherzustellen, dass sie von einer zutreffenden Sachlage ausgeht. Amazon macht weniger als 1 Prozent des weltweiten Einzelhandels aus – und es gibt in jedem Land, in dem wir tätig sind, größere Einzelhändler. Kein Unternehmen kümmert sich mehr um kleine Händler oder hat in den vergangenen zwanzig Jahren mehr für ihre Unterstützung getan als Amazon. Es gibt mehr als 150.000 europäische Händler, die in unseren Stores verkaufen. Sie erwirtschaften jährlich mehrere zehn Milliarden Euro Umsatz und haben Hunderttausende von Arbeitsplätzen geschaffen.“

Oliver Prothmann meint dazu: „Das Zitat zeigt deutlich, wie ernst Amazon das Verfahren der EU-Kommission nimmt. Es zeigt auch, wie Amazon versucht, seine Monopolstellung wegzudiskutieren, indem Amazon sich mit dem gesamten Einzelhandelsmarkt inklusive Lebensmittelhandel vergleicht. Doch wie das Bundeskartellamt bereits erklärte, hinkt dieser Vergleich, weil der Markt anders definiert ist. Denn die Frage ist, ob die “mehr als 150.000 europäischen Händler” ohne weiteres über andere Kanäle “jährlich mehrere zehn Milliarden Euro Umsatz erwirtschaften und Hunderttausende von Arbeitsplätzen geschaffen haben” könnten. Ich bleibe dabei, das Verfahren ist richtig und wird diese Abhängigkeit der Händler vom Wirken von Amazon hinterfragen und richtigstellen.”

Pressemitteilung
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BVOH – Wer wir sind


Der Bundesverband Onlinehandel e.V. wurde am 8. April 2006 in Dresden gegründet. Wir verstehen uns als Sprecher und Interessenvertreter des mittelständigen Onlinehandels (KMU) und arbeiten an der Verwirklichung eines fairen, sicheren und erfolgreichen Onlinehandels für alle Beteiligten. Bei uns ist der Mittelstand des Onlinehandels zu Hause.

Werde Mitglied und bringe Dich tatkräftig ein: https://bvoh.de/mitglied-werden-im-bvoh/